Analyse: „Señor Presidente“ bei Latinos in Bringschuld

Washington (dpa) - Kaum hatte Barack Obama seinen Wahlsieg auf Twitter verkündet, meldeten sich über den Kurznachrichtendienst zahlreiche Latinos zu Wort.

Unter dem Hashtag (Schlagwort) „please y gracias“ riefen sie ihn auf, sich in seiner Rede auch auf Spanisch bei den Wählern zu bedanken. „Señor Presidente, Sie wissen ja, wem Sie den Sieg zu verdanken haben“, so die selbstbewusste Botschaft.

Auf Spanisch sprach Obama zwar nicht. Aber in seiner Siegesrede machte er deutlich, dass ihm der Beitrag der Bürger mit lateinamerikanischen Wurzeln zum Wahlergebnis durchaus bewusst ist: Er bekräftigte sein Versprechen, endlich die bereits 2008 angekündigte Reform der Einwanderungspolitik anzugehen. Die in den USA legal lebenden Latinos erhoffen sich dadurch Erleichterungen, die rund zwölf Millionen illegalen Immigranten hoffen auf ein Bleiberecht.

Die Latinos stellen mit etwa 50,4 Millionen Staatsbürgern rund 16,3 Prozent der Gesamtbevölkerung. Sie sind inzwischen die größte Minderheit in den USA - und die am schnellsten wachsende Gruppe: In 40 Jahren werden es mehr als 100 Millionen Menschen sein.

„Die Latino-Gemeinde hat ihre Versprechen an Obama und die Demokraten gehalten. Wir werden ihn das nicht vergessen lassen“, erklärte das Netzwerk „United We Dream“, das sich für die Einbürgerung illegal in den USA lebender Jugendlicher einsetzt. Obama hatte im Juni angeordnet, dass diese zunächst für zwei Jahre von einer Abschiebung verschont bleiben.

Die genaue Tragweite des Latino-Votums wird erst in einigen Tagen feststehen, aber die bisher vorliegenden Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Nach Angaben der US-Medien stimmten bis zu 73 Prozent der „Hispanics“ für Obama. Herausforderer Mitt Romney, dessen Republikanische Partei im Kongress eine Lockerung der Einwanderungsgesetze blockiert, kam nur auf 27 Prozent.

„Romneys Rechtsruck in der Einwanderungsfrage hat seine Chancen auf den Einzug ins Weiße Haus zunichte gemacht“, meinte der Vorsitzende des einflussreichen Migrantenverbandes „America's Voice“, Frank Sharry.

„Die Republikaner haben ein gigantisches Problem mit den "Hispanics"“, konstatierte die „Washington Post“. Wenn die Partei auf Dauer lebensfähig bleiben und ihren Anspruch auf nationale Bedeutung beibehalten wolle, könne sie es sich nicht länger leisten, sieben von zehn Latino-Stimmen zu verlieren.

„Die Republikaner werden ein ernstes Gespräch mit sich selbst führen müssen“, meinte der Gewerkschafter und Latino-Sprecher Eliseo Medina. Sie müssten die Beziehungen zur spanischsprachigen Gemeinde kitten: „Andernfalls können sie sich von uns verabschieden.“

Obama hatte dagegen bereits vor der Wahl die Bedeutung der Bürger lateinamerikanischen Ursprungs unterstrichen: „Wenn ich für eine zweite Amtszeit gewählt werde, wird ein wichtiger Grund dafür gewesen sein, dass die Republikaner und ihr Kandidat die Latino-Gemeinde so vernachlässigt haben“, sagte er der Zeitung „Des Moines Register“.

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