Analyse: Schwieriger Weg nach Brüssel

Berlin (dpa) - Der Druck auf Angela Merkel ist groß. Man spürt es im Bundestag an diesem Mittwoch bei ihrer Regierungserklärung zum EU-Gipfel. Das ist kein einfaches Auflisten der anstehenden Themen und Vorschläge, wie so oft vor Treffen der europäischen Staats- und Regierungschefs.

Diesmal will Merkel nach innen und außen die Botschaft senden: Deutschland steht ohne Wenn und Aber zur „Verantwortungsgemeinschaft“ in der EU.

Sonst meist pragmatisch, greift die Kanzlerin diesmal für ihre Verhältnisse tief in die Pathos-Kiste. Sie will grassierende Zweifel an ihrer europapolitischen Glaubwürdigkeit zerstreuen. Merkel beschwört den Geist der Gründerväter der Europäischen Union: „Diesem Vermächtnis fühle ich mich ganz persönlich verpflichtet.“

Der Ausruf ist nicht nur an die Adresse des für Europadebatten gut besuchten Plenums gerichtet. Auch ihr europäischer Parteifreund Jean-Claude Juncker soll mithören. Der Chef der Eurogruppe hatte Merkels Widerstand gegen eine überstürzte Vergemeinschaftungen von Schuldenrisiken mit Eurobonds als „uneuropäisch“ kritisiert.

Diesen Faden nahm im Bundestag vor allem Ex-Außenminister Frank-Walter Steinmeier auf. „Viel lautes Pfeifen im Walde“, hörte er von Merkel nur. „In der tiefsten Krise Europas, die ich je erlebt habe“, brauche man jetzt vielmehr „ein kräftiges Signal, einen mutigen Entwurf“. Nichts davon bei Merkel, sagte der SPD-Fraktionschef.

Steinmeiers Rezept dagegen: Rasche Beteiligung privater Gläubiger bei der Beseitigung von Schuldenkrisen, eine Ausweitung des 750-Milliarden-Euro-Rettungsschirms und schnelle Schritte hin zu einer politischen Union mit gemeinsamer Steuer- und Sozialpolitik. Eurobonds - gemeinsame Staatsanleihen mit gemeinsamem Zinsrisiko - gehören für den SPD-Mann dazu. In diese Richtung argumentierten auch die Grünen im Bundestag.

Für Merkel ist dagegen eine politische Integration der EU noch Zukunftsmusik. Mehr Solidarität ja, aber gleichzeitig auch mehr Wettbewerbsfähigkeit - sprich: solide Staatsfinanzen. „Das sind die zwei Seiten einer Medaille“. Eine Vergemeinschaftung der Risiken kommt für sie nicht infrage. Dazu legte sie im Bundestag ihren Neun-Punkte-Plan für den EU-Gipfel auf den Tisch.

Oberstes Ziel sind für sie strenge Kriterien, bevor die Euro- Gemeinschaft erneut in die Krisenkasse greift zur Rettung von EU- Staaten am Rande der Insolvenz. Die Beteiligung privater Gläubiger und Einstimmigkeit gehören ebenso dazu wie die Erfüllung scharfer Sparauflagen unter der Aufsicht des Internationalen Währungsfonds und der Europäische Zentralbank.

Eurobonds oder ein Aufstocken des Rettungsfonds sind auf jeden Fall nicht dabei. Auf ihre Brüsseler Aufgabenliste hat die Kanzlerin dagegen alle Instrumente geschrieben, die sie seit Monaten bei einigen EU-Partnern unbeliebt gemacht haben. Für das „teutonische Sparmonster“, wie Jürgen Trittin von den Grünen Merkels Ruf in der EU charakterisierte, ist damit weiterer Ärger programmiert.

Junckers Außenminister, der Sozialdemokrat Jean Asselborn, gab schon mal einen Vorgeschmack auf die nächsten Tage. Er wetterte gegen einen deutsch-französischen „Machtanspruch“, gegen „Überheblichkeit und Arroganz“ der beiden Großen in der EU. „Deutschland wird verstehen, dass diese Theaterauftritte der vergangenen Monate nicht von Nutzen sind“, gab er Merkel über die Medien mit auf den Weg nach Brüssel.

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