Analyse: Saarland-Schock erschüttert Rösler

Stuttgart (dpa) - Letzte Rettung Kurswechsel? FDP-Chef Rösler beerdigt das Thema Steuersenkungen. Seine neue Wachstumsstrategie bleibt aber vage. Sauer sind die Liberalen auf die CDU. Das Auseinanderbrechen der Saarland-Koalition verhagelt ihnen das Dreikönigsfest.

Schlagfertig ist „Wegmoderierer“ Rösler beim Dreikönigstreffen eigentlich nur einmal. Es gehört zur Tradition, dass ein paar junge Leute von den oberen Rängen des Stuttgarter Staatstheaters die Rede eines FDP-Chefs stören. Für Philipp Rösler ist es eine Premiere. Als es soweit ist, dreht er sich zu seinem Vorgänger um und sagt: „Vielen Dank, Guido, dass ich auch deinen Fanclub geerbt habe.“

Doch das ist an diesem Tag noch das geringste Problem von Rösler, dem sein neuer Generalsekretär Patrick Döring Kämpferqualitäten abgesprochen hatte. Inzwischen ist der neue Parteichef in Umfragen ähnlich unpopulär wie Außenminister Guido Westerwelle, ist die Partei mit zwei Prozent kaum noch messbar.

Während Rösler versucht, in seiner knapp einstündigen Rede die 1400 Anhänger von seinem Krisenmanagement zu überzeugen, landet plötzlich die Nachricht aus Saarbrücken auf vielen Handys im Saal. Die CDU hält die FDP nicht mehr für regierungsfähig - und schmeißt die Liberalen aus dem „Jamaika“-Bündnis.

Rösler kriegt das am Rednerpult natürlich nicht mit. Doch als er fertig ist, keilen ihn die Journalisten auf dem Flur sofort ein. Was heißt das für Schwarz-Gelb in Berlin? Wusste CDU-Chefin und Kanzlerin Angela Merkel davon?

Während andere FDP-Größen in die ersten Mikrofone sprechen und die Verlässlichkeit im Bund betonen, will oder kann der 38-jährige Vizekanzler keine Worte finden. Später heißt es aus seinem Umfeld, das Timing an der Saar könne kein Zufall gewesen sein. „Das war ein unfreundlicher Akt, um unser bundespolitisches Hochamt zu stören.“ CDU-Ministerpräsident Annegret Kramp-Karrenbauer hätte die „Leiche Jamaika auch noch ein paar Tage länger leben lassen können“.

Jetzt muss sich Rösler auch noch mit der Diskussion herumschlagen, ob die liberalen Auflösungserscheinungen im Saarland ein böses Omen für die gesamte Partei sind. An der Basis wächst die Angst, dass die oft totgesagte FDP bald tatsächlich neben „Jamaika“ auf dem Friedhof der Politik landet. Wenn im Mai die Partei aus dem Kieler Landtag fliegt, könnte das Schicksal des jungen Vorsitzenden, der im Mai 2011 Westerwelle ablöste, besiegelt sein.

„Mal schauen, ob wir den Rösler nächstes Jahr wiedersehen“, meint ein Kommunalpolitiker, der sich von der Rede mehr erhofft hatte. Viele im Staatstheater dürften seinen Eindruck geteilt haben, zeitweise eher einer Vorlesung in Volkswirtschaftslehre beizuwohnen.

Rösler will die FDP mit Blick auf die Wahl 2013 als Anwalt für Wachstum und Wohlstand positionieren - gegen den linken Zeitgeist von SPD und Grünen, die nur Steuererhöhungen und Verbote im Kopf hätten. Wachstum sei dabei kein Fetisch und nicht nur auf die Wirtschaft reduziert. „Am gefährlichsten aber ist, dass sich auch viele Konservative neuerdings zum Verzicht auf Wachstum bekennen.“ Auch Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) zählt Rösler dazu.

Nach zehn Westerwelle-Jahren macht Rösler also endgültig Schluss mit „Mehr Netto vom Brutto“. Das böse „S-Wort“ sagt Rösler kein einziges Mal. Das vor Weihnachten geschnürte schwarz-gelbe Entlastungspaket erwähnt er nicht. Selbst als er vorrechnet, dass jeder Bürger 2012 im Schnitt 413 Euro mehr Geld in der Taschen haben werde. Offen ist, ob Rösler die Kraft hat, diesen Schwenk gegen die Steuersenkungsanhänger in den eigenen Reihen durchzusetzen.

Als gefühlter Gewinner von Dreikönig kann Entwicklungsminister Dirk Niebel zurück in die Hauptstadt fahren. Für seine witzige, gut strukturierte Rede bekommt er Standing Ovations. Von seinen vielen Reisen hat er seinen zerstrittenen Parteifreunden einen Ratschlag aus Tansania mitgebracht. „Es ist nicht notwendig, die Laterne eines andern auszublasen, damit die eigene heller strahle.“ Röslers Licht flackert schon.

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