Analyse: Krisenmanagement überzeugt die Märkte nicht

Brüssel (dpa) - In großer Not greifen die Europäer gerne zu bewährten Formeln. „Wir tun alles, um die finanzielle Stabilität der Eurozone zu sichern“, lautete die gemeinsame Aussage nach einer scheinbar endlosen Sitzung der obersten Euro-Kassenhüter.

Sie versprachen auch „in Kürze“ ein neues Rettungspaket für das schwer angeschlagene Griechenland. Wann? Keiner weiß es genau. Es kann Tage, aber auch Wochen dauern.

Die Griechenlandkrise schwappt derweil auf Kernländer des Eurogebiets über. Die Finanzmärkte nehmen Italien wegen hoher Schuldenberge und politischer Unsicherheiten ins Visier. Die Risikoaufschläge für langfristige italienische und spanische Staatsleihen steigen und steigen. Aktienmärkte gehen nach unten, der Euro fällt.

Es kracht so laut, dass sich die Staats- und Regierungschefs der Eurozone einschalten müssen. Für Freitag ist ein Krisentreffen in Brüssel geplant, das zweite innerhalb von vier Monaten. „Die Chefs müssen etwas tun, um die Märkte zu beruhigen“, meinte ein Diplomat.

Das offizielle Europa war offensichtlich auf die Turbulenzen nicht vorbereitet. Diplomaten und Politiker verfolgten angespannt Nachrichten von den Märkten. Dass es nun ausgerechnet Italien trifft, konnten viele nicht verstehen.

„Die Schuldenprobleme in Rom gibt es doch nicht erst seit gestern“, lautete der Einwand. Dabei war ein Unterton der Verzweiflung zu hören. In der Erklärung der Ressortchefs wird Italien nicht erwähnt, um nicht weitere Spekulationen zu schüren.

Die Europäer können sich nur damit trösten, dass die Supermacht USA auch schwere Schuldenprobleme hat. Die Vereinigten Staaten erwarten im laufenden Jahr laut Ökonomen ein Staatsdefizit von 9,1 Prozent, während die Eurozone im Schnitt auf 4,3 Prozent der Wirtschaftsleistung kommt.

Zwölfeinhalb Jahre nach Einführung der Gemeinschaftswährung geht es ums Ganze, um den Bestand der Eurozone. Selbst Minister, die sonst zurückhaltend formulieren, lassen daran kein Zweifel. „Wir werden alles tun, damit es kein Ansteckungsrisiko und keinen Zahlungsausfall eines Eurostaats geben wird“, sagte der luxemburgische Finanzminister Luc Frieden am Dienstag. „Keiner wird die Eurozone verlassen, wir werden die Mittel finden - aber die Stabilisierung der Eurozone ist schwierig.“

Die bittere Bilanz nach gut einem Jahr Griechenland-Rettung lautet, dass es trotz internationaler Milliardenhilfen kein Konzept zur langfristigen Stabilisierung des Landes gibt. Ungeachtet aller Beteuerungen: Wichtige Details wie die Einbeziehung von Banken und Versicherungen bleiben umstritten. Die Finanzkonzerne sollen einen Teil der Lasten tragen, damit nicht alles beim Steuerzahler hängen bleibt.

Nach Ansicht des gerne als Hardliner auftretenden niederländischen Ressortchefs Jan Kees de Jager soll es jetzt auch möglich sein, dass Ratingagenturen die geplante Bankenbeteiligung als einen teilweisen Zahlungsausfall bewerten. Die Europäische Zentralbank (EZB) beharrt aber weiter darauf, dass so ein Zahlungsausfall genau vermieden werden muss - und die Notenbank ließ dies auch so in der Eurogruppen-Erklärung explizit festhalten.

Experten befürchten bei einem Zahlungsausfall unkontrollierbare Kettenreaktionen an den ohnehin nervösen Märkten. Ungelöst ist die Frage, ob die EZB stark herabstufte griechische Staatsanleihen weiter als Sicherheit für Zentralbank-Geld an griechische Geldhäuser annimmt.

In der Krise soll der gut ein Jahr alte Rettungsfonds für klamme Eurostaaten (EFSF) aufgerüstet werden. So ist es nicht mehr ausgeschlossen, dass der Fonds den Kauf von Staatsanleihen von Privatgläubigern finanzieren könnte. Der EFSF könne aber nicht an den Märkten eingreifen wie die EZB - denn es müsse zuvor ein ausgehandeltes Programm für das betreffende Land geben, meinten Experten. Es werde sich deshalb erst noch zeigen, ob der Hilfsfonds als „Wunderwaffe“ gegen die Schuldenkrise tauge.

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