Analyse: Jamaika an der Saar geht unter

Saarbrücken (dpa) - Sie wurde nur zwei Jahre alt - die erste Jamaika-Landesregierung in Deutschland. Bei der Geburtsstunde im November 2009 sprach der damalige Saar-Ministerpräsident Peter Müller von einem „ambitionierten Projekt“.

Möglicherweise war es zu ambitioniert.

Regierungschefin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) erklärte am Freitag das Ende. Die bisherigen Partner zeigten sich völlig überrascht. Einen fertigen Plan zauberte am Freitag deshalb niemand aus dem Hut. Als erste Option steht jetzt eine große Koalition im Raum. Aber auch Neuwahlen sind nicht ausgeschlossen.

Die Landesmutter erklärte das Bündnis just für gescheitert, als FDP-Chef Philipp Rösler beim Dreikönigstreffen in Stuttgart versuchte, seine Liberalen zu einem weiteren Neuanfang aufzurufen. „Gemeinsam reißen wir das Ruder rum“, rief er den Liberalen zu. Er hatte es sicher nicht auf seine Kollegen an der Saar bezogen. Was heißt das Aus für Jamaika im Saarland für die schwarz-gelbe Koalition im Bund? CDU und FDP betonen, sie sähen keine Auswirkungen.

Kramp-Karrenbauer war die Personalquerelen beim liberalen Koalitionspartner leid, die zuletzt kaum noch ein vernünftiges Regieren zuließen. Kurz vor Weihnachten hatte FDP-Fraktionschef Christian Schmitt, erst ein knappes Jahr im Amt, das Handtuch geworfen und war zur CDU-Fraktion gewechselt. Der designierte Nachfolger Christoph Kühn gab nach parteiinterner Kritik wegen einer „Dienstwagenaffäre“ zwischen den Jahren auf. Kramp-Karrenbauer versuchte ihrem Partner ins Gewissen zu reden, doch es half offensichtlich wenig.

Jetzt geht es um einen neuen Partner. Die Regierungschefin möchte mit der SPD sprechen und klären, ob eine große Koalition möglich ist. Die SPD wird das Gesprächsangebot wohl erstmal annehmen. Das Präsidium riet am Freitag dringend dazu. SPD-Landeschef Heiko Maas versprach, seine Partei werde ernsthaft verhandeln.

Gleichzeitig nahm er Abstand von seinem alten Anspruch, unbedingt selbst Ministerpräsident werden zu wollen. Nach dem Wahlergebnis von 2009 habe die CDU nun mal die Mehrheit. Es komme jetzt auf die „inhaltlichen Ergebnisse“ an. Aber: „Es nützt ja dann nichts, in eine Regierung einzusteigen, die dann auch nicht vernünftig arbeitet.“ Also: Neuwahlen am Ende nicht ausgeschlossen.

Der frühere Saar-Landesvater Müller hatte 2010 - nach einem Jahr Jamaika - noch von einer „stabilen und vertrauensvollen Zusammenarbeit“ gesprochen. Doch die Umfragemehrheit verlor das Bündnis bereits vor etwas mehr als einem Jahr. Müller wechselte 2011 als Richter ans Bundesverfassungsgericht. Kramp-Karrenbauer wurde erst im zweiten Anlauf als Ministerpräsidentin gewählt, bekam nur knapp die notwendige Mehrheit - und eine Stimme weniger als die Jamaika-Koalition insgesamt hat. An der Saar hält sich das Gerücht, der Abweichler sei ein FDP-Mann gewesen.

Die SPD zeigte sich am Freitag ebenso wie der grüne Koalitionspartner von Kramp-Karrenbauers Entscheidung überrascht. Maas versicherte, er habe zunächst aus den Medien vom Koalitionsbruch erfahren, bevor ihn Kramp-Karrenbauer angerufen habe. Die Ministerpräsidentin räumte ein, über die Feiertage auch mit Maas gesprochen zu haben - allerdings noch nicht über Details einer politischen Zusammenarbeit. Beobachter registrierten schon seit einigen Monaten, dass sich die Sozialdemokraten mit ihrer Kritik vor allem an der Ministerpräsidentin zurückhielten.

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