Analyse: Israel fürchtet den Fall Ägyptens

Tel Aviv (dpa) - Ägyptens Staatschef Husni Mubarak ist wohl der letzte arabische Herrscher, dessen Sturz sich Israel wünscht. Drei Jahrzehnte lang wussten wechselnde israelische Ministerpräsidenten die guten Dienste des heute 82-Jährigen zu schätzen.

Während alle israelischen Tageszeitungen am Freitag mit Bildern und Berichten über die blutigen Unruhen in Ägypten aufmachten, hüllte sich die Regierung weiter in Schweigen. „Wir geben keinerlei Kommentar ab außer den üblichen, dass wir die Dinge aufmerksam verfolgen“, sagte der Sprecher des Außenministeriums Jigal Palmor. „Die Beziehung zwischen Israel und Ägypten ist wichtig für beide Länder, und es liegt im besten Interesse beider Völker, enger zusammenzuarbeiten.“ Nur rund 100 Israelis halten sich in Ägypten auf. Alle seien sicher, heißt es.

„Es gibt eine große Sorge hier (in Israel)“, sagt der Professor für politische Studien an der Bar-Ilan-Universität, Eitan Gilboa, der Nachrichtenagentur dpa. „Es könnte der Beginn einer revolutionären Bewegung im ganzen Nahen Osten sein. Aber es gibt eine Gefahr. Die Frage ist, wie sich die öffentliche Empörung weiter entwickelt. Wenn die islamischen Fundamentalisten dies ausnutzen und an die Macht kommen, dann führt das zu keinem guten Ende. (...) Israel hat Friedensverträge mit Ägypten und Jordanien geschlossen, und wenn die pro-westlichen Regierungen in diesen Ländern untergehen, dann ist wahrscheinlich auch der Frieden in Gefahr“, sagt er.

Der frühere israelische Botschafter in Ägypten, Zvi Mazel, reicht seinen nervös gewordenen Landsleuten eine Beruhigungspille. Es gebe keinen Grund anzunehmen, dass Ägypten den Friedensvertrag kündigen werde, weil das einen Konflikt auslöse, der unheilvoll für die ägyptische Wirtschaft und die Beziehungen zu den USA sei, schreibt Mazel in der Tageszeitung „Jerusalem Post“.

Es ist eine besondere Beziehung, die Ägypten und Israel pflegen. Einerseits ist Ägypten das erste arabische Land, mit dem Israel im März 1979 einen Friedensvertrag schloss. Andererseits sind sich beide Völker so fern geblieben, dass Politiker von einem „kalten Frieden“ sprechen.

Allerdings schätzen israelische Politiker seit drei Jahrzehnten die Dienste Mubaraks und von dessen Geheimdienstchef Omar Suleiman. Mal nahm die ägyptische Führung die im Gazastreifen herrschende radikal-islamische Organisation Hamas an die Kandare, ein andermal engagierte sie sich im Gefangenenaustausch zwischen Israel und der Hamas. Nicht zu unterschätzen ist der Einfluss Ägyptens auf die moderate Palästinenserführung um den Präsidenten der Autonomiebehörde, Mahmud Abbas. Wenn mit Abbas nichts mehr ging, saß Israels Regierungschef meist bald im Flugzeug nach Kairo oder Scharm el Scheich.

Israel fürchtet auch, dass das strategische Gleichgewicht in der Region kippen könnte. Der Iran kooperiert seit langem mit militanten und radikalen Palästinensergruppen sowie der pro-iranischen Hisbollah im Libanon. Dann entdeckte die Türkei die palästinensische Bühne. Aus Sicht Israels stand Ägypten als verlässliches Bollwerk gegen diese Einflüsse.

Keine der bislang möglichen Alternativen zu Mubarak ist nach israelischem Geschmack. Beispielsweise ist Friedensnobelpreisträger Mohammed el Baradei, der sich an die Spitze der Proteste gestellt hat, für Israel ein rotes Tuch. Der Vorwurf: Der ehemalige Direktor der internationalen Atomenergiebehörde IAEA sei viel zu nachsichtig mit der Teheraner Führung im Atomstreit umgegangen.

Israels ehemaliger Vize-Ministerpräsident Schaul Mofas forderte im November 2007 sogar den Rauswurf von El Baradei. In Israel stößt auch sauer auf, dass sich der 68-Jährige so vehement für einen atomwaffenfreien Nahen Osten einsetzt. Außerdem drängt er Israel dazu, endlich öffentlich zuzugeben, was ohnehin alle wissen: dass es eine Atommacht ist.

„Für Israel wäre es das Beste, wenn das Mubarak-System bliebe“, sagt Politikwissenschaftler Gilboa. „El Baradei ist nicht so gut, aber besser als die Moslembruderschaft. Aber El Baradei ist auch gefährlich, weil er eine Allianz mit der Bruderschaft schmieden könnte.“

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