Analyse: Guttenberg als Selbstverteidigungsminister

Berlin (dpa) - Von wegen „Feldherrnhügel“. Den meisten Teil der Afghanistan-Debatte im Bundestag verfolgt Karl-Theodor zu Guttenberg still auf der Regierungsbank. Zweite Reihe, schräg hinter Guido Westerwelle.

Der CSU-Verteidigungsminister macht sich kräftig Notizen.

Nur für die eigene Rede steht er auf. Ans Pult bringt der in die Kritik geratene Jung-Star des schwarz-gelben Kabinetts dann zwei Botschaften mit.

Erstens: Von einem Streit mit dem FDP-Kollegen wegen des Abzugs der ersten deutschen Soldaten aus Afghanistan noch in diesem Jahr könne keine Rede sein. Und zweitens, aktuell die wichtigere: An den Vertuschungs-Vorwürfen wegen der Vorfälle auf der „Gorch Fock“ und bei der Bundeswehr in Afghanistan sei überhaupt nichts dran. „Solche Verdächtigungen sind infam“, setzt sich Guttenberg zur Wehr.

Von Angela Merkel und den Ministerkollegen gibt es unterstützenden Applaus. Die Kanzlerin hat zuvor schon wissen lassen, dass sie Guttenberg nach wie vor für einen „ausgezeichneten“ Minister halte. Aber trotzdem ist im Bundestag zu merken, dass der Umfragekönig der deutschen Politik zum ersten Mal seit der Kundus-Affäre wieder zu kämpfen hat.

Guttenberg sieht sich genötigt, den Äußerungen zum neuen Afghanistan-Mandat der Bundeswehr eine Vorbemerkung voranzustellen. Alle Vorwürfe wegen der geöffneten Feldpost aus Afghanistan, wegen der angeblichen Meuterei auf dem Segelschulschiff „Gorch Fock“ und wegen des tödlichen Schusses auf einen deutschen Afghanistan-Soldaten aus der Pistole eines Kameraden weist er zurück. Bei Fehlverhalten werde es jedoch „harte Konsequenzen“ geben.

Im Detail geht er auf die Vorwürfe aber nicht ein. Die Strategie heißt abwarten: Wegen des Todes des 21-jährigen Afghanistan-Kämpfers ermittelt jetzt die Staatsanwaltschaft. Deshalb auch kein Wort dazu, dass der Hauptgefreite nach einem internen Feldjäger-Bericht möglicherweise starb, weil ein Kamerad mit einer Heckler & Koch spielte. Auf dem Dreimaster „Gorch Fock“, der derzeit vor der argentinischen Küste liegt, soll nun ein Ermittler-Team der Bundeswehr die Vorgänge klären.

Die Opposition will sich damit jedoch nicht begnügen. Die Grünen halten Guttenberg vor, das Parlament „objektiv falsch“ unterrichtet zu haben. „Was Sie hier erklärt haben, reicht uns nicht“, sagt Fraktionsvize Frithjof Schmidt. Der SPD-Verteidigungsexperte Rainer Arnold fordert ebenfalls eine „zeitnahe und umfassende Information“. Bislang, so hält er dem Minister vor, belasse es sein Ministerium bei der „halben Wahrheit“.

SPD, Grüne und Linke lassen es sich auch nicht entgehen, den Konflikt zwischen Westerwelle und Guttenberg über den Abzug der ersten Bundeswehr-Soldaten aus Afghanistan zum Thema zu machen. Schmidt stichelt, der Außenminister habe sich vom „Feldherrnhügel“ abkanzeln lassen. Der SPD-Mann Rolf Mützenich empört sich: „Es kann doch nicht sein, dass der Verteidigungsminister sich hinstellt und sagt: "Der Kabinettsbeschluss ist mir wurscht."“

Falls in der Opposition aber jemand auf ein Rededuell zwischen den Kabinettskollegen Westerwelle und Guttenberg gehofft haben sollte, wird er enttäuscht. Die zwei Minister wollen von einem Streit nichts wissen. Westerwelle verliest einmal mehr den 49-Wörter-Satz, auf den man sich zu Beginn des Jahres geeinigt hatte. Demnach ist die Regierung zuversichtlich, „die Präsenz der Bundeswehr ab Ende 2011 reduzieren zu können“. Voraussetzung sei jedoch, dass dies die Lage erlaube und die verbleibenden Truppen nicht gefährdet werden.

Guttenberg ist ebenfalls sichtlich bemüht, keine weitere Angriffsfläche zu bieten. „Ich teile ganz ausdrücklich die geäußerte Zuversicht, dass wir in diesem Jahr bereits mit einem ersten Abzug beginnen können.“ Er fügt sogar hinzu: „Wir tun alles dafür, dass es die Lage erlaubt.“ Das sind ziemlich genau die Worte, die auch Westerwelle findet. Nur, dass es sich der FDP-Chef leisten kann, auf einen Kommentar zu den Vorgängen bei der Bundeswehr zu verzichten.

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