Analyse: Deutsche würden Hillary wählen

Berlin (dpa) - Es gibt ein sehr schönes Foto von Angela Merkel und Hillary Clinton. Die beiden nebeneinander im Kanzleramt, beide im Damenblazer, Clinton in blau, Merkel in lila, und dazu auch noch die Hände fast identisch gefaltet.

Analyse: Deutsche würden Hillary wählen
Foto: dpa

Das war im April 2011. Die „Frankfurter Allgemeine“ setzte das Damen-Doppel damals auf ihren Titel. Merkel gefiel das so gut, dass sie die Ausgabe rahmen ließ und Clinton bei nächster Gelegenheit als Geschenk übergab. Deren Kommentar: „Große Geister denken eben ähnlich.“

Man muss also keine großen Vermutungen darüber anstellen, welchen der beiden Sieger des „Super Tuesday“ Merkel lieber als Nachfolger von Barack Obama im Weißen Haus sähe - auch wenn das die Kanzlerin nicht sagt. Fällt die Entscheidung am 8. November tatsächlich zwischen Clinton und Donald Trump, wäre sie klar auf der Seite der ehemaligen First Lady. Trump, der Immobilien-Milliardär mit seinem großsprecherischen Auftreten, gehört zu der Art von Leuten, mit denen Merkel sehr wenig anfangen kann.

Außenminister Frank-Walter Steinmeier, der zum „Super Tuesday“ in Washington war, sieht das ähnlich. Aus seiner Präferenz für die ehemalige Kollegin macht er keinen Hehl. Schon als Hillary Clinton ihre erneute Kandidatur verkündete, lobte Steinmeier sie als „Frau, die das politische Handwerk beherrscht wie wenige andere Menschen“. Gegen Trump hingegen hat er größte Vorbehalte.

Mit ihrer klaren Präferenz für Clinton findet sich die Spitze der großen Koalition durchaus im Einklang mit der großen Mehrheit der Bevölkerung. Nach einer Umfrage der „Bild am Sonntag“ würden sich drei Viertel der Deutschen (74 Prozent) für die 68-Jährige entscheiden, nur acht Prozent für Trump.

Die Vorliebe für Kandidaten und Präsidenten der Demokraten hat in der Bundesrepublik Tradition. Barack Obama war lange Zeit nirgendwo auf der Welt so beliebt wie bei den Deutschen. Mit Republikanern kann man hierzulande weniger anfangen. Zuletzt bekam das George W. Bush zu spüren. Merkel, die gut mit ihm konnte, war da eine Ausnahme.

Der Vorsitzende der Atlantik-Brücke, Friedrich Merz (CDU), nannte Trump am Mittwoch im Deutschlandfunk ein „erschreckendes Phänomen“. Der USA-Experte der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP), Josef Braml, sieht für die Abneigung folgenden Grund: „Wenn er noch grausamere Foltermethoden fordert, denken viele Deutsche an die Exzesse der Bush-Regierung im sogenannten Krieg gegen den Terror. Und seine frauenfeindlichen Äußerungen finden die meisten hier einfach nur abstoßend.“

Trotzdem würde Trump natürlich empfangen, falls er in den nächsten Monaten als Kandidat nach Deutschland käme. Auch wenn man in Berlin noch keine richtige Ahnung hat, was er in der Außenpolitik will: Das gebietet sich schon aus diplomatischer Klugheit. Mittlerweile hält man es in der Bundesregierung aber doch für möglich - wenn auch nicht für wahrscheinlich -, dass er Präsident werden könnte. Und manche ziehen schon den Vergleich mit Silvio Berlusconi - einem ähnlich gelagerten Politiker, mit dem man schließlich auch auskommen musste.

Falls Trump sich vor dem Wahltag in Deutschland blicken lässt, käme er mit ziemlicher Sicherheit aber nicht nur nach Berlin, sondern auch nach Kallstadt, ein Dorf in der Pfalz. Dort stammt seine Familie her. Die US-Fernsehsender haben schon groß darüber berichtet. Aber wenn die Straßenumfragen stimmen, sind nicht einmal in Kallstadt die Leute mehrheitlich für ihn.

Auch Clinton hätte ihren Termin im Kanzleramt garantiert. Bei aller Vorliebe hat man in Berlin aber auch nicht vergessen, dass sie in ihrer Zeit als Außenministerin Merkel ziemlich kalt erwischte. 2011 sorgte sie dafür, dass sich die USA entgegen erster Bedenken am Militäreinsatz gegen Libyens Machthaber Muammar al-Gaddafi beteiligten. Deutschland stand mit seiner Enthaltung im UN-Sicherheitsrat einigermaßen solo da.

Manche Experten warnen jetzt schon davor, dass Deutschland sich von einer Präsidentin Clinton zuviel erhofft. Der DGAP-Experte Braml sagt: „Clinton würde - ebenso wie der aktuelle Präsident - in ihrer Handlungsfähigkeit massiv vom Kongress eingeschränkt werden. Wer weiterhin erwartet, dass US-Präsidenten deutsche Interessen vertreten, dürfte einmal mehr enttäuscht werden.“

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