Analyse: CDU-Anhänger sollen Rösler retten

Berlin (dpa) - Die FDP ist schlechte Nachrichten gewohnt. Die Forsa-Umfrage, die den Liberalen kurz vor der Niedersachsen-Wahl bundesweit nur noch zwei Prozent bescheinigt, verschlug vielen aber die Sprache.

Die Führungsspitze der Partei tauchte am Mittwoch nahezu geschlossen ab.

Allein Generalsekretär Patrick Döring räumte ein, dass der Absturz bei den Meinungsforschern die Quittung für das Führungstheater der letzten Wochen sei: „Selbstbeschäftigung wird nicht gewählt.“

Intern zeigen nun viele mit dem Finger auf Dirk Niebel. Der Entwicklungsminister sei mit seiner wochenlangen Anti-Rösler-Kampagne Hauptverantwortlicher für das Umfragedesaster, heißt es in Parteikreisen. Niebel könnte Präsidiumsplatz oder - bei einem schwarz-gelben Wahlsieg - gar Ministerjob verlieren.

Der Ex-Fallschirmjäger und Westerwelle-Zögling als alleiniger Sündenbock? Damit macht es sich die FDP zu einfach. Viele aktuelle und ehemalige Spitzenliberale mischen seit Monaten beim „Rösler-Bashing“ kräftig mit.

Niebel trug am Wochenende eigentlich nur auf die Dreikönigsbühne, was ein Großteil der Führungsmannschaft denkt. Röslers Vize Holger Zastrow forderte, alle „Ich-linge“ in der Partei sollten einfach zwei Wochen die Klappe halten.

Die Rösler-Gegner eint die Angst, dass die FDP es mit dem bald 40-jährigen Vizekanzler an der Spitze nicht wieder in den Bundestag schafft. Deshalb möchten viele Fraktionschef Rainer Brüderle die Macht übergeben. Dem 67-jährigen, kampferprobten Wahlkämpfer trauen sie zu, die Liberalen auf 6 bis 7 Prozent im Bund zu bringen. Am besten im Tandem mit NRW-Star Christian Lindner.

Röslers vielleicht letzte Hoffnung ist das Wohlwollen der CDU-Wähler in seiner niedersächsischen Heimat. Dort wurde er politisch groß, war beliebter Fraktionschef im Landtag, Minister und Vize-Regierungschef. Nach der Horrorzahl zwei Prozent klammert sich Rösler an seine erfolgreiche Vergangenheit in der Provinz, um eine politische Zukunft in Berlin zu haben.

Das sperrige Zauberwort dafür heißt „Funktionsargument“. Die FDP wird gebraucht, um die schwarz-gelbe Landesregierung an der Macht zu halten. „Wer McAllister will, muss FDP wählen“, könnten die Liberalen auf ihre Plakate kleben. Dem CDU-Ministerpräsidenten David McAllister würde ein Traumergebnis von 40 Prozent plus X wohl nichts nutzen, wenn die FDP seines Duz-Freundes Rösler aus dem Landtag fliegt. In einer Niedersachsen-Umfrage lag die Partei zuletzt bei vier Prozent.

So setzen die liberalen Wahlkämpfer darauf, dass die CDU-Wähler scharenweise ihre Erststimme den CDU-Direktkandidaten geben - bei der Zweitstimme aber ihr Kreuzchen bei der FDP machen. Offiziell lehnt Kanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel seit Wochen eine Leihstimmen-Kampagne ab. McAllister aber lobt den Koalitionspartner, wo es nur geht.

Die FDP will von Almosen nichts wissen. Brüderle sagte nach Dreikönig: „Wir stehen nicht mit dem Sammelhut vor der Kirche der Kanzlerin.“ Auch Rösler schmeckt die gefühlte Abhängigkeit von der CDU nicht besonders.

Als junger Liberaler empfand er in der Kinkel-Zeit die Parole „Wer Kohl will, muss FDP wählen“ als Demütigung, erzählte er einmal. Um seine eigene Haut zu retten, dürfte er aber gegen schwarze Leihstimmen nichts einzuwenden haben.

Das Funktionsargument hat indes auch seine Tücke. Angesichts des bundesweiten Sturzflugs auf zwei Prozent könnte mancher CDU-Wähler am übernächsten Sonntag geneigt sein, seine Zweitstimme nicht an die FDP zu verschenken - weil die ja sowieso an der Fünf-Prozent-Hürde scheitere.

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