Analyse: „Au revoir, AAA“

Paris (dpa) - Drei Buchstaben, große Bedeutung: das dreifache AAA entspricht am Kapitalmarkt der Bestnote eines Musterschülers. Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy wollte sie Deutschlands wichtigstem Handelspartner unter allen Umständen erhalten.

Nicht nur, um Europas zweitstärkster Volkswirtschaft die Kreditaufnahme zu günstigen Zinsen zu erhalten. Auf dem Spiel sah er auch seine eigene Wiederwahl, denn im April steht Präsidentenwahl an. Und im Wahljahr möchte Sarkozy weder die Wähler verprellen noch die schwächelnde Konjunktur abwürgen. Doch all der Einsatz war vergeblich, wie sich nun zeigte. Ausgerechnet am Freitag, dem 13. - auf den Tag genau 100 Tage vor dem ersten Wahldurchgang - stufte die Rating-Agentur Standard & Poor's die Kreditwürdigkeit des Landes herab.

Die Maßnahme kam nicht unerwartet. Im vergangenen November hatte die Agentur bereits für Turbulenzen an den Finanzmärkten gesorgt, als sie - nach eigenen Angaben versehentlich - Frankreichs Top-Bewertung in einer Mitteilung gesenkt hatte. Auch Moody's hatte Mitte Oktober angekündigt, die Bonität des Landes drei Monate lang genau unter die Lupe zu nehmen. Sarkozy hatte zuletzt daher die Öffentlichkeit auf das letztlich Unvermeidliche vorzubereiten versucht.

In seiner Neujahrs-Ansprache hatte er fast schon trotzig betont, dass weder die Kapitalmärkte noch die Ratingagenturen Frankreichs Politik bestimmen würden. Ein Verlust der Top-Bonität sei nicht unbedingt das Ende der Welt, der Verlust der magischen drei Buchstaben kein unlösbares Problem. Das staatliche Engagement zur Defizit-Reduzierung der öffentlichen Haushalte sei aber unantastbar und unabhängig von der wirtschaftlichen Lage.

Trotz brodelnder Gerüchteküche über die drohende Herabstufung hatte er damit zumindest zum Jahresauftakt Recht behalten. Bei einem ersten Test hatte Paris problemlos Milliardenbeträge am Kapitalmarkt aufgenommen und bei einer Auktion fast die maximal angestrebte Summe erreicht - wenn auch zu einem Zinssatz weit über jenem, den Deutschland zahlen muss.

Wirtschafts- und Finanzminister François Baroin bemühte sich um Gelassenheit: Die Herabstufung sei keine Katastrophe. „Es sind nicht die Ratingagenturen, die Frankreichs Politik diktieren.“ Selbst die Pariser Börse blieb am Freitagabend trotz leichter Minus-Tendenz eher gelassen - auch wenn die Herabstufung ein Signal aussendet, das den Wahlkampf durcheinanderzuwirbeln droht.

Denn auch die Opposition muss nun bei Wahlversprechen eine neue Bescheidenheit üben. Der sozialistische Abgeordnete Jean-Marie Le Guen sprach in einem TV-Interview allerdings noch vor der Verkündung der Entscheidung von einer „schrecklichen Nachricht“ und einem „dreifachen Scheitern Sarkozys“: „Ein Scheitern seiner fünfjährigen Wirtschaftspolitik, die Frankreich in diese Lage geführt hat, ein Scheitern des Krisenmanagements und ein soziales Scheitern.“

Frankreich steht schon seit Monaten schon wegen seines hohen Staatsdefizits unter erheblichem Druck der Märkte. „Auch wenn das Defizit 2012 deutlich schrumpft, wird es 82 Milliarden Euro erreichen. Dieser Betrag wird den astronomisch hohen Schuldenstand von 1650 Milliarden Euro weiter anschwellen lassen“, hatte selbst der regierungsnahe „Le Figaro“ vor Wochen gemahnt. Und angesichts der sich eintrübenden Wirtschaftslage tritt Frankreichs Wirtschaft nun auf der Stelle. Paris musste innerhalb von drei Monaten zwei Sparprogramme ankündigen, um die Ziele beim Schuldenabbau einhalten zu können.

Im Land des „savoir vivre“ lag das Haushaltsdefizit in den vergangenen 30 Jahren allerdings nie unter einem Prozent. Gewaltige Anstrengungen waren daher nötig, um den Haushalt zu bereinigen. Das Haushaltsdefizit trimmte Sarkozy von sieben Prozent in 2010 auf einen für vergangenes Jahr angepeilten Wert von knapp 5,7 Prozent - bis zum kommenden Jahr soll es nach den bisherigen Plänen auf drei Prozent reduziert sein. Höhere Zinsen am Kapitalmarkt erschweren das jedoch - kein Wunder, dass Sarkozy vor diesem Hintergrund bei der Finanztransaktionssteuer Druck macht, um sie notfalls auch im europäischen Alleingang umzusetzen.

Denn nach Informationen der Zeitung „Le Parisien“ geht Paris davon aus, dass die Herabstufung dem Land Mehrkosten in einem Volumen von mindestens 2 Milliarden Euro pro Jahr bescheren könnte. Der Spielraum für wahlkampftechnische Manöver wird damit arg eingeengt. Erschwerend kommt hinzu, dass die Konjunktur lahmt: fürs laufende Jahr wird nur noch ein Prozent erwartet - und selbst das ist nicht unumstritten.

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