Affäre um Wulff spielt im Ausland keine große Rolle

Berlin (dpa) - In Deutschland sorgen die Kreditaffäre von Bundespräsident Christian Wulff und dessen Drohanrufe bei der „Bild“-Zeitung für großen Wirbel - im europäischen Ausland spielt das Thema dagegen keine größere Rolle.

Zeitungen berichten eher knapp, Äußerungen von Spitzenpolitikern sind nicht bekannt. Lediglich im Nachbarland Österreich wird ausführlicher über die Affäre berichtet und die Frage diskutiert, ob nicht eine direkte Wahl des deutsche Bundespräsidenten besser wäre. Das Amt sei schwer beschädigt, schrieb ein Kommentator der Zeitung „Die Presse“ und folgerte: „Der nächste Bundespräsident müsste vom Volk gewählt werden“.

Die österreichische Tageszeitung „Der Standard“ wies darauf hin, dass die meisten Deutschen lieber Joachim Gauck, Wulffs Gegenkandidaten bei der Bundespräsidentenwahl 2010, als Staatsoberhaupt gesehen hätten. Einig sind sich die Medien darin, dass österreichische Politiker unter ähnlichen Umständen niemals zurücktreten würden. „Aber die Deutschen verlangen von ihren Politikern mehr als wir Österreicher“, schrieb der „Kurier“.

In Großbritannien wird die Affäre vor allem als Gefahr für Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gesehen. Wulff werde mehr und mehr zur Peinlichkeit für die Kanzlerin, hieß es am Mittwoch in der „Times“. Sie habe sich sehr für Wulff als Präsident eingesetzt - sollte sich herausstellen, dass die Regierungschefin den Kandidaten nicht auf eventuelle Leichen im Keller geprüft habe, werfe das auch ein schlechtes Bild auf sie.

Die „Financial Times“ betonte, dass der „schädliche politische Skandal“ Merkels „eigenes innenpolitisches Ansehen“ untergraben könnte. Kommentator Stephen Evans vom Sender BBC sieht vor allem deshalb ein Problem für Wulff, weil dieser „das heilige deutsche Prinzip - eine freie Presse“ verletzt und sich außerdem mit Deutschlands beliebtester Zeitung angelegt habe.

Auch für die französischen Medien sind die Probleme des Bundespräsidenten nur ein Randthema, zumal Wulff in Frankreich nur wenig bekannt ist. „Der deutsche Präsident klammert sich an seinen Posten“, schrieb die Pariser Tageszeitung „Le Figaro“ bereits kurz vor Weihnachten zu den Enthüllungen über Wulffs Vorliebe für Urlaube in Luxus-Villen von Freunden und verpasste ihm das wenig schmeichelhafte Attribut „bling-bling“ (zu deutsch etwa „protzig“). „Ein Präsident in äußerster Bedrängnis“, schrieb am Mittwoch die „Le Monde“.

Die italienische Zeitung „La Stampa“ aus Turin widmete dem deutschen Bundespräsidenten am Dienstag eine knappe halbe Seite. „Diese Angelegenheit enthüllt eine Seite des Präsidenten, die bislang niemand kannte: Da ist nicht mehr der "Schwiegersohn" der Nation, immer freundlich und tadellos, sondern ein aufbrausender und anmaßender Politiker.“

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