Ackermann warnt vor Spätfolgen der Schuldenkrise

Berlin/Frankfurt (dpa) - Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann sieht Fortschritte bei der Bewältigung der europäischen Schuldenkrise - doch er warnt zugleich vor den Spätfolgen.

Der angestrebte Schuldenschnitt für Griechenland werde Europa auch auf lange Sicht teuer zu stehen kommen, sagte Ackermann bei einem Besuch der dpa-Zentrale in Berlin. „Die Erwartung war, dass Staatsanleihen zu 100 Prozent zurückgezahlt werden. Dieses Prinzip wurde verletzt - und zwar entgegen allen Aussagen, die zuvor gemacht worden waren.“ Ackermann warnte: „Dafür werden wir einen hohen Preis zahlen müssen, unter anderem in Form höherer Zinsen, die Investoren von vielen Regierungen verlangen werden.“

Nach den bisherigen Plänen sollen private Gläubiger wie Banken und Versicherer auf 50 Prozent ihrer Forderungen gegenüber Athen verzichten. Im Gespräch sind inzwischen aber bis zu 70 Prozent, die Verhandlungen laufen. „Die Beteiligung privater Gläubiger war aus politischen Gründen notwendig. Anders hätte es im Deutschen Bundestag keine Mehrheit für das Rettungspaket gegeben“, sagte Ackermann. „Aber klar ist auch, dass dies eine historische Trendwende markiert: Europäische Staatsanleihen waren bisher mündelsicher.“

Insgesamt sieht der Schweizer Europa nach fast zwei Jahren schwelender Schuldenkrise auf einem guten Weg. „Wir sind einige Schritte weiter, das ist keine Frage. Vieles an Reformen wird in den betroffenen Ländern umgesetzt.“ Auch die gigantische Geldspritze der Europäischen Zentralbank (EZB) habe zur Entspannung beigetragen. Die Notenbank hatte Europas Banken kurz vor Weihnachten für den ungewöhnlichen langen Zeitraum von drei Jahren fast 500 Milliarden Euro frisches Geld zur Verfügung gestellt. Das sei gut gewesen, befand Ackermann, „sonst hätten viele Finanzinstitute zu Beginn dieses Jahres größere Refinanzierungsschwierigkeiten gehabt“.

Insgesamt habe sich die Diskussion „in die richtige Richtung entwickelt“, sagte der Manager. „Positiv ist, dass Deutschland mehr Führung wahrnimmt. Das war von der Welt auch erwartet worden.“

Die Finanzbranche stimmte der Deutsche-Bank-Chef auf schwierige Zeiten ein. „Die Renditen im Finanzbereich werden für einige Zeit niedriger sein“, sagte er - und fügte mit Blick auf bisweilen gegensätzliche nationale Regulierungswellen an: „Ich habe kein Problem damit, wenn die Finanzindustrie höhere Belastungen hinnehmen muss. Aber wenn man schon innerhalb der Europäischen Union nicht die gleichen Bedingungen für alle schafft, verzerrt das den Wettbewerb.“ Bankenabgaben in unterschiedlichen Ländern zum Beispiel belasteten gerade weltweit tätige Institute mehrfach.

Die zuletzt wieder stark kritisierten Ratingagenturen verteidigte Ackermann. „Eigentlich kann man den Ratingagenturen keinen großen Vorwurf machen, wenn sie ihre Rechenmodelle jetzt konsequent durchziehen. Wenn die in ihren Modellen feststellen, dass ein Land ein Triple A-Rating nicht mehr verdient, dann können sie gar nichts anders tun, als ein Downgrade vorzunehmen.“

Die US-Ratingagentur Standard & Poor's (S&P) hatte vor gut einer Woche neun Eurostaaten auf einen Schlag schlechtere Noten für ihre Kreditwürdigkeit verpasst. Europas zweitgrößte Volkswirtschaft Frankreich verlor die Bestnote „AAA“. Danach wurde der Ruf nach einer europäischen Ratingagentur wieder lauter.

„Grundsätzlich würde ich es begrüßen, wenn es eine europäische Ratingagentur gäbe“, sagte Ackermann. „Aber einige wenige Banken in Europa können eine solche Agentur nicht gründen, da sie unabhängig sein muss. Außerdem braucht es viele Jahre, bis eine solche Rating-Agentur sich ein entsprechendes Renommee aufgebaut hat.“

Seine berufliche Zukunft nach dem Ausscheiden aus der Deutschen Bank in diesem Mai ließ der 63-Jährige zunächst offen. Nur so viel verriet Ackermann: „Ich muss nicht jeden Tag in der Zeitung stehen. Es wird auch eine Last wegfallen, das ist klar. Was mir aber fehlen wird, sind die Gespräche mit hochinteressanten Menschen in aller Welt.“ Nach zehn Jahren an der Spitze der Deutschen Bank wird Ackermann mit Ablauf der Hauptversammlung am 31. Mai 2012 von einer Doppelspitze aus dem Investmentbanker Anshu Jain (48) und Deutschland-Chef Jürgen Fitschen (63) abgelöst.

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