WZ-Interview: Olympia bald bei RTL und Premiere?

Interview: Medienwissenschaftler Hackforth über die umkämpfte Vergabe der TV-Rechte an Olympischen Spielen.

Herr Professor Hackforth, das Internationale Olympische Komitee (IOC) hat die 56 Jahre währende Partnerschaft mit der Europäischen Rundfunk Union (EBU) gekündigt. Die Rechte für die Übertragung der Olympischen Spiele 2014 und 2016 für 40 Länder wurden an die Agentur Sportfive verkauft. Hat Sie das überrascht?

Josef Hackforth: Nein. Bereits das erste Angebot der EBU vor einigen Wochen wurde vom IOC nicht akzeptiert.

Hackforth: Es ist wie immer, wenn eine Ehe schon 56 Jahre dauert. Dann schleicht sich Routine ein und der Gedanke, das ginge immer so weiter. Vielleicht hätte sich die EBU in den letzten Wochen ein wenig mehr um das IOC bemühen müssen.

Hackforth: Aus ökonomischer Sicht ist es vernünftig, ein gutes Programm meistbietend zu vermarkten. Die dezentrale Vermarktung hat gegenüber der zentralen einen Vorteil.

Hackforth: Der Mehrwert. Ökonomisch gesehen ist es also nachvollziehbar. Das ist aber nur die halbe Wahrheit.

Hackforth: Das IOC muss vorsichtig sein, dass es nicht zur einer totalen Segmentierung des Programms kommt.

Hackforth: Da gibt man Leichtathletik an RTL, Schwimmen an die ARD, und im ZDF kommt Radfahren.

Hackforth: Ja. Oder im Pay-TV oder wo auch immer.

Hackforth: Nicht sehr. Denn es gibt die Regelung, dass 200 Stunden der Sommer- und 100 Stunden der Winterspiele im Free-TV laufen müssen. Aber es ist möglich, dass etwa RTL und Sat.1 mit Premiere das gesamte Olympia-Paket bekommen.

Hackforth: Sie haben einen klaren Startvorsprung, weil sie eine jahrzehntelange Erfahrung in den Ring werfen können. Sie haben die beste Infrastruktur, die größten Personalreserven und viele Vorzüge mehr.

Hackforth: Vor allem müssen sich ARD und ZDF jetzt gut benehmen und dürfen nicht die Beleidigten spielen.

Hackforth: Da hat Volker Herres dem öffentlich-rechtlichen Fernsehen keinen Gefallen getan, diese provozierende These einfach mal so in die Welt zu setzen, obwohl noch gar nichts entschieden war.

Hackforth: Damit würde er gegen den Grundversorgungsauftrag von ARD und ZDF verstoßen und das Bundesverfassungsgericht auf den Plan rufen. Das war undiplomatisch, ungeschickt und kontraproduktiv. Und wenn er meint, so mit dem IOC umgehen zu können, dann verkennt er die Kräfteverhältnisse.

Hackforth: Wenn sie sich ernsthaft um die Rechte bewerben, müssen sie sicherlich noch ein Schippchen drauflegen. Aber sie haben ja über die Gebühren Einnahmen von sieben Milliarden Euro pro Jahr.

Hackforth: So denken doch nur noch Sozialromantiker. Den olympischen Gedanken können wir uns seit 1984 abschminken. Mit den Spielen von Los Angeles war die Professionalisierung und Ökonomisierung beschlossen. Insofern regt mich das gar nicht auf, da lach ich nur laut. Die Vermarktung und Kommerzialisierung haben wir seit 24 Jahren. Und die ist auch nicht mehr aufzuhalten.

Hackforth: Jacques Rogge formuliert Diplomatisches, dem jeweiligen Anlass entsprechend. Da gibt es viele Festtagsreden und Lippenbekenntnisse. Realistisch gesehen ist das ein Big Business.

Hackforth: Wir haben zu viele Plattformen mit viel zu vielen Inhalten. Jeder kann senden, es schaut nur keiner zu. Sie kämpfen immer gegen die 44 Programme im TV. Der eine guckt Big Brother, der andere DSDS, der Dritte schaut sich Heidi Klums Models an, der Vierte einen Spielfilm und der Fünfte Maybrit Illner. Das ist die Segmentierung des Publikums, und deshalb zieht Olympia auch nicht mehr so wie früher. Wir müssen die Kirche im Dorf lassen: Wir retten weder die Randsportarten, noch vernichten wir sie. Die plätschern auf kleinem Niveau dahin.

Hackforth: Dass ich auf Abruf auswählen kann, was auch immer ich von Olympia sehen möchte. Dann bin ich mein eigener Programm-Direktor. Das finde ich wunderbar.

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