Vierschanzentournee: Jacobsens zweiter Streich

Der Gewinner des Neujahrsspringens „fliegt wie ein Engel“, sagt Bundestrainer Werner Schuster.

Garmisch-Partenkirchen. Er hat gefehlt. „Jeder gute Sportler fehlt“, sagt Alexander Stöckl. Und Anders Jacobsen, der Sieger des Neujahrsspringens, ist ein außergewöhnlich talentierter Sportler. Dennoch war für Norwegens Cheftrainer nicht klar, ob dieser Jacobsen nach seiner Auszeit ins Team passt.

Im B-Kader hatte der 27-Jährige trainiert, bei Jermund Lunder, der ihn schon zum Tourneesieg 2006/07 geführt hat. Es war die richtige Entscheidung. Stöckl: „Anders hat gemerkt, dass er sich anstrengen muss, um wieder in die Mannschaft zu kommen. Jetzt ist er angekommen.“ Und „fliegt wie ein Engel“, sagt der deutsche Bundestrainer Werner Schuster.

Anders Jacobsen zieht mit seinen Triumphen in Oberstdorf und Garmisch-Partenkirchen als Tournee-Führender weiter nach Innsbruck, doch er feiert keinen plötzlichen Wiederaufstieg. Es ist vielmehr die stetige Weiterentwicklung eines Besessenen. Im Training wird aus dem liebevollen Papa eines Buben ein „irrsinnig verbissener und fokussierter Athlet“, wie Alexander Stöckl sagt.

Von März an hat sich Jacobsen geschunden, das Schwierigste im Aufbauprozess war, die neu gewonnene Kraft und Athletik in die Technik einzubauen. Zu Beginn des Winters hat der achtmalige Weltcupgewinner gute Sprünge gezeigt, einzig die Konstanz fehlte.

Am Dienstag der Rückfall im ersten Durchgang. „Das war ein Helikopterflug“, sagt Anders Jacobsen. Artistisch und feinfühlig zugleich korrigiert er mit den Händen, nachdem er ins Trudeln geraten ist — und landet erst nach 131 Metern. Doch im Finale setzt er die Tagesbestweite von 143 Metern.

Eine entscheidende Veränderung macht Jermund Lunder aus: „Ich erkenne dieses gewisse Etwas von früher in Anders‘ Augen.“ Wach sind sie, neugierig. Abstand zum Skispringen als wertvolle Lebenserfahrung. Jacobsen sagt: „Bis vor kurzem war ich noch ein Niemand, jetzt reißen sich alle um mich. Das ist komisch, aber es macht Spaß.“

Norwegen jubelt. Über Anders Jacobsen, Tom Hilde, der zur Halbzeit auf Tournee-Platz drei liegt, und den Tagesdritten Anders Bardal. Titelverteidiger Gregor Schlierenzauer wurde erneut Zweiter hinter Jacobsen. „Der Zweite ist der erste Verlierer“, sagt der 22-jährige Österreicher, „aber das ist Jammern auf höchstem Niveau.“

Severin Freund, in Oberstdorf noch Dritter, brauchte zu lange, um sich auf das Profil der Olympiaschanze einzustellen. Der 24-Jährige hat im Wettkampf zwar seine besten Leistungen geboten, ist in der Addition seiner 129,5 und 130,5 Meter jedoch auf Platz 15 gelandet — und in der Gesamtwertung nun Fünfter.

Freund meint: „Damit muss ich leben.“ Wie auch Bundestrainer Schuster. Gleichwohl registriert er, dass seine „Leistungsträger nicht die Leichtigkeit gezeigt haben, die es braucht. Wenn wir keinen in die Spitze reinkriegen, ist das nicht unser Anspruch.“

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