„Historisch“: Neureuther holt Silber im Slalom

Schladming (dpa) - Stolz schwenkte Felix Neureuther die deutsche und die bayerische Fahne, eine Stunde nach dem Gewinn von WM-Silber im Slalom gönnte er sich den verdienten kräftigen Schluck aus der Schampusflasche.

Am größten Tag in seiner Karriere verspürte der 28-Jährige „gewaltige Emotionen“.

Tief bewegt genoss er die Siegerehrung an der Seite von Slalom-Weltmeister Marcel Hirscher aus Österreich und war zum Abschluss der Weltmeisterschaften in Schladming der große Held. „Historisch“ war der WM-Abschluss durch erste Einzelmedaille eines deutschen Herren seit 2001 für Alpin-Direktor Wolfgang Maier - und aus der Ferne gratulierte die am Vortag im Slalom ausgeschiedene Maria Höfl-Riesch zu einem „Wahnsinnsduell“.

„Ich weiß, dass viele auch im Vorfeld gezweifelt haben, dass es der Neureuther wieder nicht schafft. Von dem her ist das heute eine Riesen-Genugtuung, dass ich das heute geschafft habe“, sagte der 28-Jährige über die langersehnte Einzelmedaille gut zehn Jahre nach seinem ersten Weltcup-Start. „Meinem Papa ist das beispielsweise immer verwehrt geblieben, eine Einzelmedaille bei einem Großereignis zu gewinnen. Für die Familie Neureuther, kann man sagen, konnte ich jetzt was komplettieren. Und das ist doch auch schon was sehr, sehr Schönes.“

In einem hochdramatischen Slalom-Spektakel hatte Neureuther die Nerven behalten. „Yes Baby“, „Ja Mann“, schrie er im Ziel mit Bestzeit seine Freude hinaus. Etwas mehr als eine Minute durfte er sogar auf Gold hoffen, doch dann unterstrich Hirscher seine Ausnahmestellung im Duell der beiden weltbesten Slalomfahrer. „Man kann die Geschichte eigentlich nicht besser schreiben“, befand Neureuther, der sich über Gratulationen von Kindheitsidol Alberto Tomba freuen durfte. Beim Interview-Marathon musste er sich auch eine Träne aus dem Augenwinkel wischen, konnte aber auch scherzen. „Die Revanche von Cordoba ist mir nicht ganz gelungen, aber nahezu.“

Österreichs Alpin-Superstar sicherte sich nach Team-Gold und Riesenslalom-Silber die dritte Medaille in Schladming. Bronze ging an Landsmann Mario Matt. „Marcel hat es wieder einmal sehr gut gemacht und verdient gewonnen. Aber das nächste Mal wird er es wieder schwerer haben“, kündigte Neureuther an.

Welch ein Triumph nach reichlich Rückschlägen für Neureuther, der im Dezember 2009 kurz davor war, die Wettkampf-Ski in die Ecke zu stellen. Danach kamen die ersten Weltcup-Siege, mehr und mehr wurde er nicht mehr nur als Sohn der Ski-Heroen Rosi Mittermaier und Christian Neureuther wahr genommen, doch der ersehnte Coup 2011 in Garmisch-Partenkirchen blieb dem WM-Vierten von 2009 verwehrt. Er zerbrach förmlich am Druck der Heim-WM, dagegen blickt er auf Schladming als die ersten Weltmeisterschaften zurück, „die ich richtig genießen“ konnte. Zumindest emotional, denn schmerzhaft war der durch den Kroaten Filip Zubcic verursachte Crash im Team-Wettbewerb allemal. Beinahe wären da schon alle Hoffnungen vorbei gewesen.

Im Moment des größten sportlichen Erfolges dankte der viermalige Weltcup-Sieger Neureuther am Sonntag seinen Eltern, „die in erster Linie“ Anteil am Erfolg haben. „Aber es sind auch ganz viele andere. Jetzt kommen die Emotionen hoch. Ich bin ein Kämpfer und habe so lange gekämpft“, erklärte der 28-Jährige.

Dopfers Fahrt auf Rang sieben ging im Trubel um Neureuther ein bisschen unter. Schon als er nach Rang fünf im ersten Durchgang ins Ziel kam, war eine Medaille außer Reichweite - enttäuscht lehnte sich der für den SC Garmisch startende Skirennfahrer auf die Stöcke und schüttelte den Kopf. Stefan Luitz fuhr bei seiner zweiten WM als 21. sein bestes Titelkampf-Ergebnis ein. „Ich bin froh, zwei Läufe runtergebracht zu haben“, sagte der 20-Jährige. Philipp Schmid schied dagegen im ersten Lauf aus.

Einmal Gold, einmal Silber und zweimal Bronze lautete die Bilanz des Deutschen Skiverbandes (DSV), der noch einmal seinen WM-Treff in Österreich für den Abend aufmachte, ein Jahr vor Olympia. Vier Medaillen - das gab es für die deutschen Alpinen zuletzt 1997 in Sestriere. Das mache Mut für Sotschi und die Zeit danach, betonte DSV-Präsident Alfons Hörmann. Platz eins im Medaillenspiegel ging mit viermal Gold an die USA.

Am WM-Schlusstag präsentierte sich Schladming im totalen Ausnahmezustand. Über 50 000 Menschen machten die 4500-Einwohner-Gemeinde zur vielleicht größten Après-Ski-Party der Welt. Übertrieben wurde der Slalom-Showdown gar zum „Rennen des Jahrhunderts“ gehypt. Gespannt verfolgte auch die am Vortag zur Slalom-Weltmeisterin gekürte Mikaela Shiffrin (USA) den Nervenkrimi - trotz bedeckten Himmels trug die 17-Jährige einen Tag nach ihrem WM-Coup eine Sonnenbrille. Lena Dürr, am Vortag im Slalom als 21. die beste Deutsche, lag sich nach dem Rennen mit Fritz Dopfer in den Armen. Dopfers siebter Slalom-Rang ging im Jubeltrubel von Neureuther unter. Zusammen hatten sie im Team-Event Bronze gewonnen.

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