Slalom Frank Wörndl: „Das war ein anderes Leben“

Der Allgäuer Frank Wörndl gewann vor 30 Jahren überraschend WM-Gold im Slalom. Ein Triumph, der seinem Dasein eine neue Richtung gab

Frank Wörndl auf einer Briefmarke aus Paraguay.

Frank Wörndl auf einer Briefmarke aus Paraguay.

Foto: Paraguay Post

Herr Wörndl, Sie sind in St. Moritz ein gefragter Mann: Vor 30 Jahren holten Sie in Crans Montana WM-Gold im Slalom. Wie viele Interviews mussten Sie zu diesem Jubiläum geben?

Wörndl: Acht oder neun. Ich weiß aber gar nicht, wer auf den Tripp gekommen ist, dieses Jubiläum zu thematisieren. Nach 20 Jahren hat mich kein Mensch gefragt.

Was geht Ihnen als erstes durch den Kopf, wenn Sie auf die WM 1987 angesprochen werden?

Wörndl:
Gar nichts, ganz ehrlich. Das ist alles schon so weit weg. Das ist nicht mehr relevant für mich, das war ein anderes Leben. Ich kann mich an nicht mehr viel erinnern. Was ich noch weiß, ist die Minute vor meinem Start zum zweiten Lauf. Ich habe zum Armin Bittner geschaut, der im ersten Durchgang eine Hundertstel schneller war und deshalb als Letzter starten musste. Ich habe mich riesig darauf gefreut, da jetzt runter zu fahren. Ich habe mir vorgenommen, auf Vernichtung zu fahren. Vollgas. Denn die Medaille für Deutschland holt eh der Bittner, nicht ich.

Das hat Ihnen den Druck genommen?

Wörndl: Na klar. Ich habe den Druck einfach auf ihn geschoben. Er musste die Medaille für Deutschland holen. Ich wollte einfach meinen Spaß haben und Vollgas fahren. Das war der Schlüssel.

Ein Jahr später bei den Olympischen Spielen war es umgekehrt. Sie sind als Führender nach dem ersten Lauf ins Finale gegangen - und wurden Zweiter.


Wörndl: Das stimmt. Ich habe oben nur mitbekommen, dass der damals zweitplatzierte Nilson auf Rang fünf zurückgefallen war. Dass Tomba stark gefahren war, wusste ich nicht. Also dachte ich mir: Da fährst jetzt locker runter und hast gewonnen. Fehler. So entscheidet sich im Starthaus vor dem Rennen, was passiert.

Würden Sie sagen, dass das WM-Rennen 1987 das Rennen Ihres Lebens war?

Wörndl: Es war zumindest das Rennen, das meinem Leben eine entscheidende Richtung gegeben hat. Mein Leben danach ist aufgebaut auf diesen Erfolg. Ich weiß nicht, ob ich die Experten-Jobs bei Eurosport oder ZDF ohne den WM-Titel bekommen hätte. Es hilft mit bis jetzt, Türen zu öffnen. Man begegnet einem als Weltmeister immer mit Respekt. Darüber muss ich manchmal sogar lachen, denn wenn du schnell einen Berg runter fahren kannst, hat das ja nicht unbedingt mit anderen Dingen in deinem Leben zu tun. So eine Goldmedaille blendet die Menschen manchmal, aber es hilft.

Die Eigenschaften eines Spitzensportlers helfen doch aber sicher auch im normalen Leben?


Wörndl: Das stimmt schon. Ich werde jetzt dann 58 und bis heute profitiere ich von der harten Schule des Leistungssports. Du gehst durch Hochs und Tiefs. Du weißt, wie man sich auf ein Ziel fokussiert. Disziplin. All das hast du gelernt, das hilft dir natürlich. Wenn hier bei Eurosport Tohuwabohu ausbricht mit der Situation, dass wir für sechs Länder Live-Sendungen machen, schalte ich ab und mache mein Ding. Was die anderen machen, interessiert mich in dem Moment nicht.

Gab es nach Ihrem WM-Triumph eigentlich einen großen Empfang in Ihrer Heimat Sonthofen?


Wörndl: Ja, den gab es. Aber ich war ja nicht da.

Warum das denn?

Wörndl: Ich bin mit meinem Trainer nach der WM in Richtung Deutschland gefahren und in Zürich ausgestiegen. Dort hatte ich damals eine Freundin, die ich besucht habe. Ich bin erst zwei Tage später heimgekommen.

Das heißt, es gab einen großen Weltmeister-Empfang und Sie waren in Zürich?

Wörndl: Klar. Ich wusste das ja nicht. Handys gab es damals nicht. Die haben da alle gewartet und ich war in Zürich gesessen. Die waren auch ein bisschen sauer, denn es hat mich ja keiner gefunden. Niemand wusste, wo ich eigentlich bin.

Stimmt es, dass es von Ihrem ersten Lauf in Crans Montana keine TV-Bilder gibt, weil das ZDF schon abgereist war?

Wörndl: Ja das stimmt. Harry Valérien saß schon im Auto und ist nach dem ersten Lauf wieder umgekehrt.

Heute gibt es von jeder Szene mehrere Super-Zeitlupen, das Drumherum ist gigantisch. Wünschen Sie sich manchmal, noch einmal jung zu sein und unter diesen Bedingungen Rennen fahren zu können?

Wörndl: Wenn ich 25 Jahre alt wäre und im Vollbesitz meiner Kräfte, würde ich sofort da oben stehen und Rennen fahren. Das ist doch das Schönste, was es gibt.

Wie sehr hat sich der Slalom seit Ihrem WM-Titel verändert?

Wörndl: Es ist ein komplett anderer Sport. Das einzige, was gleich geblieben ist, sind der Start und das Ziel. Alles andere hat sich verändert. Die Kurssetzung. Die Stangen. Die Pistenpräparation. Das Material und damit auch die Dynamik und Athletik der Fahrer. Das Einzige was noch übrig geblieben ist, ist das der Außenski der Chef ist.

Wann werden wir wieder einen deutschen Slalom-Weltmeister sehen?

Wörndl: Dazu gehört Glück. Felix Neureuther hat die nötige Qualität. Ich habe ihm gerade eine WhatsApp geschrieben und versprochen, dass ich mir am Sonntag vor seinem Rennen meinen Vollbart abrasieren werde. Das war zu meiner Zeit mein Aberglaube: Ich musste bei Großveranstaltungen immer glatt rasiert an den Start gehen. Also mach ich das am Sonntag in der Früh. Es wird Felix natürlich keinen Millimeter helfen, aber es ist eine moralische Unterstützung.

Wie schwer wiegt seine Rückenverletzung aus dem Teamwettbewerb?

Wörndl: Optimal ist das natürlich nicht, aber er hat damit ja Erfahrung. Das ist nicht tragisch. Alle Slalomfahrer, die in die Jahre kommen, haben mit dem Rücken zu tun. Sobald du den Muskel wieder locker hast, ist der Wirbel wieder drin und fertig. Dann wird er auch gut fahren.

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