Wie Stöger um seinen Job beim 1. FC Köln kämpft

Der Trainer des Bundesliga-Tabellenletzten über seinen Plan für die Wende, Vorstellungen von einem Scheitern, Erwartungen an Claudio Pizarro und verbliebenes Selbstvertrauen.

Wie Stöger um seinen Job beim 1. FC Köln kämpft
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Köln. Peter Stöger (51) ist seit 2013 in Köln. Mit dem FC ist er aufgestiegen und vergangene Saison in den Europa-Cup eingezogen. Und jetzt ist er Tabellenletzter der Bundesliga: ein Punkt aus sieben Spielen. Ein Schock. Vielleicht bald auch ein Schnitt? Vom Helden zum Versager in wenigen Monaten? Sind das die Pole, zwischen denen Fußball gespielt wird. Und dazwischen gibt es nichts? Fragen an einen Trainer, der keinem Thema ausweicht.

Herr Stöger, wie empfinden Sie Ihre Probleme selbst?

Peter Stöger: Schwierig, weil es um einen großen Club geht. Bei 100 000 Mitgliedern hängt schon etwas an der sportlichen Situation. Wenn ich es aber im Vergleich zu anderen Problemen auf der Welt betrachte, dann ist das doch sehr relativ. Dennoch: Wir brauchen sportliche eine Lösung. Wir müssen punkten, damit die Leute an ihre große Liebe wieder eine Freude haben können.

Zerbröckelt die geschaffene Wohlfühl-Oase 1. FC Köln so langsam, aber sicher?

Peter Stöger: Als ich hier begonnen habe, hat man mir immer erzählt, wie schwierig und unruhig dieser Club ist. Wenn man jetzt vom schlechtesten Start seit 55 Jahren Bundesliga-Geschichte spricht, dann ist es hier noch verhältnismäßig ruhig. Die Hoffnung und der Glaube daran, dass wir das in dieser Konstellation korrigieren können, ist immer noch relativ groß. Die Zusammenarbeit mit den Spielern ist wie immer gut. Und das ist die Basis dafür, da wieder raus zu finden. Aber verzwickt ist die Situation natürlich schon. Wir brauchen Antworten mit Punkten, nicht mit schönen Spielen. Wenn es ans Eingemachte geht, interessieren die Leute nur die Punkte. Wenn du die Punkte hast, dann wollen sie auch gute und schöne Spiele. Es geht nur über die Arbeit.

Lucien Favre hat in ähnlicher Situation in Gladbach vor zwei Jahren aufgegeben. Kommt Ihnen das in den Sinn?

Stöger: Nein. Ich will das auch nicht vergleichen, weil ich dann am Ende derjenige wäre, der bewertet, was richtig oder falsch ist. Ich kenne auch den wahren Hintergrund bei Favre nicht. Wissen Sie, es ist doch so: In der engeren Führung dieses Clubs arbeiten etwa 15 Leute. Wenn ich das Gefühl habe, dass die noch keine Alternative haben oder eine Lösung kennen, der Verein also am Ende in einer schwierigen Situation wäre — ich finde, das geht ganz einfach nicht. Aber ich habe auch immer gesagt, dass dieser Verein permanent Bundesliga spielen muss, wenn er sich nach oben entwickeln will. Klar ist aber auch: Wenn 14 dieser 15 Leute sagen, wir haben eine Alternative, von der wir glauben, dass sie greifen kann, bin ich sicher der letzte, der das nicht versteht.

Ist Ihnen dieser Mechanismus erklärbar, dass am Ende über den Trainer gesprochen wird? Oder wäre es gerade in Köln an der Zeit, dauerhafteres Vertrauen zu schenken?

Stöger: Es hat ja jeder Trainer seine eigene Geschichte. Wie ist das Vertrauen zur Mannschaft? Wie bist du integriert in den Verein? Wie ist dieser Verein strukturiert? Was traut man dir zu? Daraus resultiert aber nicht die Erklärung, dass man hier die nächsten Jahre mit einem Ösi durchzieht, egal was kommt.

In Freiburg geht man mit einem Trainer Christian Streich durch alle Lebenslagen.

Stöger: Klar, dieser Weg ist sehr sympathisch. Dass man aufsteigt, zusammen Europacup spielt, nach dem Abstieg den Trainer hält und wieder zusammen aufsteigt. Das hat mich schon sehr gefreut. Das hat Charme, ich finde das cool, diese Geschichte kennt man. Aber warum kennt man die so genau? Weil es so selten passiert. Ich weiß nicht, ob so eine Situation in Köln tragbar wäre.

Es würde immerhin zu der jüngeren Entwicklung in Köln passen, wo man ja viele Dinge unter der Führung von Jörg Schmadtke und Ihnen anders angegangen ist.

Stöger: Das stimmt. Aber ich weiß nicht, ob das die Begleitumstände zulassen würden. Wenn man das am Ende nicht schafft, muss man sich hinterher noch mal begegnen und sagen können: es war eine coole Zeit, aber es hat eben nicht mehr funktioniert. Aber: Oberstes Ziel ist es, das hier hinzubringen. Nach Aufstieg, Klassenerhalt und Europapokal könnte es dem Verein noch mal einen richtigen Schub geben, wenn wir aus dieser Phase gemeinsam herauskommen.

Es ist die erste schwierige Phase unter Ihnen.

Stöger: Nein, die schwierigen Phasen, die wir intern als solche gewertet haben, hat man vielleicht nach außen nicht so mitbekommen, weil wir dann immer rechtzeitig wieder gewonnen haben. Die Jungs haben uns öfter mit außergewöhnlichen spielen die Haut gerettet. Wir sind zum Beispiel in die Zweitliga-Saison mit drei Unentschieden gestartet. Da haben sich hier alle überrascht angeschaut. Vielleicht aber auch nur, weil sie überrascht waren, dass der Österreicher nicht dreimal hintereinander verloren hat (lacht).

Haben Sie ähnliche Situationen in ihrer Karriere schon erlebt?

Stöger: Ich bin bei Admira vom Spieler zum Trainer so eingestiegen, damals war ich 37, Admira war Letzter. Das hat gut funktioniert, wir sind noch Fünfter geworden. Ich bin auch in Wien mal mit einer Durchschnittsmannschaft in die 1. Liga aufgestiegen, wo klar war, dass es schwierig wird. Da haben wir uns irgendwann anders entschieden und sind auseinander gegangen. Die Mannschaft hat danach die Klasse gehalten, weil sich ein anderer Verein aufgelöst hat. Also: Ich kenne solche Situationen. Eigentlich habe ich hauptsächlich um die Meisterschaft oder gegen den Abstieg gespielt.

Müssen oder wollen Sie sich verändern?

Stöger: Nein, im fünften Jahr in Köln nicht. Spieler wie Lehmann, Risse, Kessler, Horn, Maroh oder Hector würde ich damit eher irritieren als alles andere. Ich werde sicher nichts in der Außenwahrnehmung verändern, damit irgendjemand zu dem Schluss kommt: Na, der Stöger unternimmt aber jetzt wirklich alles. Und im Haus selbst fragen Sie sich zugleich, ob ich noch ganz dicht bin. Ich hab schon das Selbstvertrauen, dass ich sage: unser Ansatz ist gut.

Was läuft falsch?

Stöger: Alles, was man braucht, damit es im Fußball funktioniert, funktioniert bei uns nicht optimal: das Verteidigungsspiel der Gruppierung. das Offensivspiel. Wir haben zu viele Fehlerquellen, die der Gegner derzeit auch besonders intensiv ausnutzt. Deswegen stehen wir vielleicht nicht mit einem Punkt zurecht da unten, aber wir stehen zurecht da unten. Ich glaube auch nicht, dass wir im Sturm wesentlich weniger Chancen herausspielen als vorher. Das schmerzt besonders. Wir müssen in die Basics. Wie bekommen wir die Kompaktheit zurück? Wie klappen die Mechanismen? Im Offensivbereich kannst du keinen Zauber anstellen, natürlich üben wir viele Torabschlüsse.

Welche Rolle spielt jetzt Claudio Pizarro? Und warum haben Sie dem Transfer zugestimmt?

Stöger: Fakt ist: Wenn wir jetzt zehn Punkte hätten, wäre Pizarro kein Thema gewesen. Aber wir haben gefühlt viele Situationen im Strafraum, aus denen wenig entsteht. Also haben wir uns angeschaut, ob da noch jemand ist, der gerne noch kicken würde, der keinen Verein bekommen hat, weil er vielleicht zu hoch gepokert hat, verletzt war oder auch gefühlt zu alt ist. Und dann landet man schnell bei Pizarro. Warum kommst du auf ihn? Weil er eine absolute Quote hat, und weil er bei jeder Station ein Top-Profi war, der in der Gruppierung immer gut angekommen ist. Seine Gelassenheit und seine Erfahrung können uns jetzt helfen.

Ist er auch fit?

Stöger: Wir werden in der nächste Woche nicht in jedem Spiel 90 Minuten von ihm verlangen. Trotzdem kann das mit seiner Erfahrung Sinn machen. Vor Claudio haben alle den größten Respekt. Kürzlich hatte er Geburtstag, und unsere Fan-Gemeinde hat ihm am Trainingsplatz ein Ständchen gesungen. Ich hatte das Gefühl, dass es ihm unangenehm war. Es gibt Leute, die lassen sich da so richtig feiern. Da wusste ich schon: alles richtig gemacht.

Trotzdem werten viele den Transfer als Eingeständnis einer verfehlten Personalpolitik im Sommer.

Stöger: Wenn du keine Punkte hast, dann hast du auch keine Argumente. Wir suchen ja alle keine Ausreden. Wenn es nicht läuft, kann ich vieles hinterfragen, auch die Personalpolitik. Das ist aber nicht mein Ansatz. Was weg ist, ist weg. Und was da ist, ist da. Mein Job ist es, daraus das Bestmögliche herauszuholen. Ich verstehe die Frage, das muss man auch aushalten, aber mir hilft es im Moment relativ wenig weiter, verstehen Sie. Deswegen jammern wir nicht. Aber es hat nicht umsonst jemand gesagt, dass am Ende nur das Ergebnis zählt. Das ist die Wahrheit.

Wann wird Ihnen der derzeit verletzte Stürmer Cordoba helfen können? Man wird ihm in Sachen Einsatz nichts vorwerfen können, aber es verspringen auch viele Bälle, die Modeste vorne gehalten hat, als er noch da war.

Stöger: Das stimmt, dafür arbeitet Jhon viel mehr als Tony. Wissen Sie, eine Mannschaft braucht von jedem Spieler einen Mehrwert. Beim Jhon ist es die Arbeit, die er leistet. Wenn Tony Lust gehabt hat, hat er richtig gut gearbeitet. Wenn nicht, hat er seine Quote bringen müssen. Wenn er diese Tore nicht erzielt hätte, dann hätte er Ärger bekommen mit den anderen Jungs.

Ein neuer Trainer würde vermutlich eine Stammelf suchen, der er sein Vertrauen ausspricht. Sie hingegen probieren viel.

Stöger: Mein Ansatz ist, dass ich mir anschaue, wer jetzt der Sache gewachsen ist. Da haben natürlich jene einen Vorteil, die die Gegebenheiten hier kennen. Aber sie haben auch den Nachteil, dass ich sie schon lange kenne und weiß, wie sie ticken. Deswegen sind wir am Ende wieder da, wo eben die spielen, die gut drauf sind. Ich stehe zu hundert Prozent hinter meinen Jungs. Aber wir sind nicht der FC Bayern, wo Jupp Heynckes mit Weltklassespielern die Gegner zerlegen kann. Das haben wir nicht. Wir haben eine richtig tolle Gruppierung, und die Qualität haben wir uns immer dadurch erhalten, dass wir nach dem Leistungsprinzip gegangen sind. Das hat die Trainingsqualität hoch gehalten, das hat auch die Fitness hochgehalten — und das hat die Qualität bestimmt. Das wird sich nicht ändern.

Nervt der Europacup schon?

Stöger: Nein. Wenn wir uns darauf nicht mehr freuen, dann läuft in diesem Geschäft aber alles falsch. Wer weiß, wie oft wir das hier noch erleben? Ich behaupte jetzt mal: nächstes Jahr wird’s nichts (lacht). Wir können doch sagen, dass wir unter der Woche eine zusätzliche Möglichkeit haben, uns Sicherheit zu holen.

Wollen Sie Österreichs Nationaltrainer werden, wie wieder spekuliert wird?

Stöger: Glauben Sie mir, ich denke viel über den FC nach. Momentan ist das kein Thema. Ich habe aber auch immer gesagt: Österreichs Teamchef ist total reizvoll. Momentan habe ich das aber für mich nicht auf der Agenda. Und beides zusammen geht ja auch nicht (lacht).

Ihre Rechnung für diese Saison schaut wie aus?

Stöger: Wenn wir im Winter nahe an den 20 wären, das wäre schon gut. 19 waren bisher das wenigste bei uns. Also: Mit zehn Punkten würde es heftig werden, wobei Augsburg das auch schon geschafft hat.

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