Wettskandal: Das hohe C der Manipulation

Angeklagter Marijo C. packt aus. Fußballprofi Cichon wollte 100 000 Euro.

Bochum. Der Aufarbeitung des Wettskandals steht der Höhepunkt noch bevor. Am neunten Verhandlungstag des ersten Prozesses trat mit Marijo C. ein Zeuge auf, der laut Staatsanwalt im Ranking der Tatverdächtigen in der Champions League spielt.

Vier Stunden plauderte der 35-Jährige unverblümt über Methoden, Gepflogenheiten und Gesetze der Wettszene. Und ganz nebenbei erweiterte er die Liste der Spiele unter Manipulationsverdacht um ein Qualifikationsspiel für die WM 2010.

Er kam im blütenweißen Hemd und anthrazitfarbenen Anzug aus der Justizvollzugsanstalt Bochum. Marijo C. ist in Nürnberg geboren. Er spricht über die Manipulation von Fußballspielen wie von einem ganz normalen Geschäftszweig.

Seit 1999 habe er gewettet, berichtete der Mann, der erst eine Bäcker- und dann eine Koch-Lehre abgebrochen hat, um sich, seine Frau und zwei Kinder als berufsmäßiger Glücksspieler zu ernähren: „2005 habe ich mir überlegt, wie ich meine Gewinnchancen erhöhen könnte. Da habe ich angefangen, Fußballer anzusprechen und Spiele zu manipulieren.“

Zwischen 5000 und 15 000 Euro lag der Tarif für eine Spielerbestechung, bei einem Schiedsrichter waren 30 000 Euro fällig. Marijo C. verwettete täglich 2000 bis 3000 Euro; dazu kamen die Bestechungsgelder und die Wetteinsätze für manipulierte Spiele: „200 000 bis 300 000 Euro pro Monat sind das gewesen.“

Lange hat Marijo C. nach seiner Verhaftung im November 2009 geschwiegen, im September 2010 hat er sich dazu entschlossen, auszupacken. Für Staatsanwalt Andreas Bachmann ist er eine „Kernperson“ des gesamten Verfahrens: „Er spielt in der Champions League, genau wie Ante Sapina. Und beide sind geständig.“

Marijo C. kennt das hohe C der Manipulation. In Osnabrück hatte der Angeklagte Nürettin G., seit zwei Tagen gegen 20 000 Euro Kaution auf freiem Fuß, in Marcel Schuon und Thomas Cichon potenzielle Manipulatoren ausgemacht. „Er rief mich an und sagte, da sind bestechungswillige Spieler“, sagt Marijo C., der sich mit Cichon und Schuon traf.

Es sei um das Thema Manipulation gegangen: „Da musste man nicht um den heißen Brei herumreden, die wussten genau, worum es geht.“ Abwehrchef Cichon habe 100 000 Euro verlangt; wofür, wollte Marijo C. wissen: „Cichon hat gesagt, notfalls werde er früh einen Elfmeter verschulden oder sich eine Rote Karte abholen.“

Warum sich die Spieler so schnell eingelassen hätten, will der Richter wissen. „Weil die Geld verdienen wollten.“

Invielen Klassen dockten die Betrüger an. Und offenbar auch in der WM-Qualifikation. „Das Ding haben wir auch verschoben, der Ante und ich“, sagt Marijo C. beiläufig. Gemeint ist das Spiel zwischen Liechtenstein und Finnland am 9. September 2009. In welche Richtung und ob es mit Erfolg manipuliert wurde, blieb am Mittwoch offen.

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