Tischtennis-WM in Düsseldorf Was kommt nach Boll? Vom Tischtennis in Deutschland und Asien

Die WM in Düsseldorf hat mal wieder bewiesen: Tischtennis ist in Asien nochmal eine ganz andere Liga. Der 36-jährige Boll schied als bester deutsche Spieler der Herrenmannschaft im Viertelfinale aus. Er offenbart ein Nachwuchsproblem.

Tischtennis-WM in Düsseldorf: Was kommt nach Boll? Vom Tischtennis in Deutschland und Asien
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Düsseldorf. Wenn Sportdirektor Richard Prause und Herren-Bundestrainer Jörg Roßkopf über den 13 Jahre alten Japaner Tomokazu Harimoto sprechen, der in Düsseldorf erst im Viertelfinale ausgeschieden ist, bekommt man ein Gefühl dafür, wo der Unterschied zwischen Asien und Europa liegt: „Der trainiert neun Stunden am Tag", berichtete am Montag Roßkopf und das leichte Augenrollen bei beiden Verantwortlichen deutete an: Unmöglich hierzulande, Schulpflicht und finanzielle Möglichkeiten des Deutschen Tischtennis Bundes ließen das niemals zu. Tischtennis - in Asien nochmal eine ganz andere Liga.

„Wichtig ist, dass wir uns nicht zu sehr blenden lassen“, sagte Prause bei der deutschen Bilanz nach acht Tagen deutscher Tischtennis-WM. „Die Entwicklungskurven der Spieler verlaufen anders, eben auch wegen der unterschiedlichen Trainingsintensität. Bei uns erreichen die Spieler das höchste Leistungsniveau mit Ende 20 oder Anfang 30. Die Systeme in Japan und China sind nicht auf uns zu stülpen", befand Prause.

Klar wurde das beim besten deutschen Spieler dieser WM: Es war wieder Timo Boll, 36 Jahre alt, der in seinem Viertelfinale dem späteren Weltmeister Ma Long alles abverlangt hatte, wie es zuvor und danach mit Ausnahme von Finalgegener Fhan Zhendong keinem anderen gelang. Boll hätte fast in den siebten und entscheidenden Satz erreicht.

8000 Zuschauer in der Messehalle waren begeistert, es war der deutsche Höhepunkt, auch wenn unter dem Strich die Bronzemedaille von Petrissa Solja aus dem Mixed-Wettbewerb mit dem Chinesen Fang Bo strahlt, die erste Medaille bei einer Einzel-WM seit 2011, als Boll Bronze geholt hatte. Und es war die erste deutsche Damen-Medaille seit 46 Jahren. Mit 3:1 hatten Solja und Bo im Halbfinale geführt, dass es doch noch verloren ging, soll zu Verstimmungen zwischen dem deutschen und dem chinesischen Verband geführt haben. In China zählt eben nur die Goldmedaille.

Sei es drum: „Wir haben Werbung gemacht, aber für den ganz großen Boom wird es wohl nicht reichen, was wir geboten haben", sagte Boll nach seinem Einzel-Aus. „Unsere Konkurrenz ist einfach sehr sehr stark." Dass Ma Long aber nicht außer Reichweite liege, zeige, „dass ich mich nochmal verbessert habe”.

Aber was kommt nach Boll? „Ein kleines Nachwuchsproblem im deutschen Tischtennis ist da. Denn irgendwann werden wir nach einem Timo Boll oder Dimitrij Ovtcharov (28) eine große Lücke füllen müssen", sagte Prause offen. Zu den Erkenntnissen dieser stimmungsvollen Heim-WM gehört eben auch: Am Ende gingen wieder fast alle Titel nach China.

Und während in Asien weiter reihenweise Talente heranreifen, enttäuschte Deutschlands eigentlich bester Spieler Dimitrij Ovtcharov mit seinem Aus im Achtelfinale gegen den Japaner Koki Niwa. Kein Fallobst, aber auch keine unüberwindbare Hürde. Als am Montag Long und Zhendong im Finale um den Titel begeisterten, war Ovtcharov bereits zurück in Russland, mit seinem Club im russischen Orenburg geht es um die nationale Meisterschaft. Man hätte sich mehr erhofft.

„Er wird und muss noch viel lernen, aber er ist unser Mann der Zukunft“, sagte Roßkopf über Ovtcharov, der Boll als deutschen Starspieler dereinst beerben wird. Wobei: Boll will noch weiterspielen, er peilt Olympia 2020 an, ist hochmotiviert und war in Düsseldorf nicht weniger als topfit.

53400 Zuschauer insgesamt, 8000 Zuschauer an den drei letzten ausverkauften Tagen registrierten auch, dass mit Kristin Silbereisen (32) und Ruwen Filus (32) die positiven deutschen Überraschungen eben auch nicht mehr ganz jung sind. Beide schafften es bis ins Achtelfinale.

Dass die nächsten Olympischen Spiele in Tokio stattfinden, ist aus deutscher Sicht ein Problem. Während Roßkopf am Montag noch die europäische Dominanz des DTTB mit der Aussage betonte, er wolle bei einer Europameisterschaft „keinen anderen Sieger mehr sehen als Deutschland“, gibt man derzeit den Status als Nummer zwei hinter China an Japan preis. „Dort ist vor Olympia viel Geld unterwegs, viele Trainer, Ärzte und Analysten - und viele, viele junge Talente“, sagte Roßkopf. Im Mixed holte Japan schon in Düsseldorf Gold. „Die haben uns inzwischen rechts überholt“, sagte DTTB-Präsident Michael Geiger. Schon bei Olympia in Rio hatte das deutsche Team mit 1:3 gegen Japan in der Vorschlussrunde verloren.

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