Vier Städte für ein Olympia

Chicago, Rio, Madrid oder Tokio? Warum es jede Stadt verdient hätte. Und warum nicht.

Düsseldorf. Als gewichtigster Mann des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) liebt er es bedeutungsvoll und spannend. "Ich erwarte maximal zwei Stimmen Unterschied", sagt IOC-Präsident Jacques Rogge zur unmittelbar bevorstehenden Wahl der Olympia-Stadt 2016. Morgen Abend (18.30 Uhr/Eurosport) wird er im Kongresscentrum in Kopenhagen den Ausrichter der Olympischen Sommerspiele 2016 benennen: "Kein Bewerber hinkt hinterher, alles ist möglich." Die Argumente und Chancen der Kandidaten.

Das spricht für Chicago: Zuerst Barack Obama und dessen Begeisterung für das Projekt Olympia. Fast 25 Jahre hat Obama in der Stadt gelebt, bevor er ins Weiße Haus einzog. Morgen wird er der Kandidatur in Kopenhagen persönlich Pate stehen, bereits seit gestern wirbt seine Frau Michelle vor Ort um Stimmen. Obama ist der erste Präsident, der sich für eine Olympia-Bewerbung einsetzt ("We want these games"). Dabei haben die USA bereits vier Winter- und vier Sommerspiele ausgerichtet. Chicago hat Stolpersteine beseitigt: Die Stadt rang sich zu einer Finanzgarantie für den Olympia-Etat durch, außerdem wurde die Schaffung einer eigenen Fernsehgesellschaft in Konkurrenz zu NBC verworfen. Das IOC verzeichnet große Einnahmen aus den Übertragungsrechten von NBC. Die meisten Sportstätten liegen in einem Zehn-Kilometer-Radius an mehreren Orten entlang dem malerischen See-Ufer. Olympia in den USA verspricht Rekordeinnahmen.

Das spricht gegen Chicago: Die USA erhalten einen unverhältnismäßig hohen Anteil aus TV- und Sponsorenerträgen. Das macht sie nicht beliebt. Chicagos Olympia-Etat fällt mit 4,8 Milliarden Dollar geringer aus als der aller Konkurrenten. Nur 67 Prozent der Bevölkerung unterstützen Olympia in Chicago. Die IOC-Absage an New York als Kandidat der Spiele 2012 deutet auf wenig amerikafreundliche Züge.
Die Köpfe: Barack Obama und seine Frau Michelle überstrahlen alles, dazu gesellen sich Ex-Leichtathletin Jackie Joyner und Chicagos Bürgermeister Richard Daley.
IOC-Vornote: 7,0

Die Chancen: Zunächst sah sich Chicago gegenüber Rio im Hintertreffen. Seit der Ankündigung Obamas, in Kopenhagen aufzutreten, glaubt die Stadt nunmehr unumstößlich an ihren Sieg. Und tatsächlich sind die Chancen enorm gestiegen.

Das spricht für Rio: Weiße Strände, der Zuckerhut, die Copacabana - das gibt tolle Bilder. Rio will neun Milliarden Euro öffentlich und privat investieren. Geplant ist das olympische Dorf im Westteil der Stadt, die Erweiterung der Uferpromenade an einem See mit eigenem Sportlerstrand und der Ausbau des Flughafens. Weil die Fußball-WM 2014 in Brasilien stattfindet (zugleich ein Nachteil), profitiert Rio von ausgebauter Infrastruktur. Die Cariocas, die Einwohner Rios, unterstützen die Bewerbung. Nie hatte eine Stadt in Südamerika die Spiele.

Das spricht gegen Rio: Die hohe Kriminalität. Schießereien zwischen Polizisten und Drogenbanden in den Armensiedlungen, die häufig an die Nobelviertel angrenzen, gehören zum Alltag. Die Hotelkapazität ist zu gering. Deshalb entstehen Gästedörfer und 8500 Zimmer auf Kreuzfahrtschiffen.
Die Köpfe: Präsident Luiz Inacio Lula da Silva: "Keine andere Stadt braucht die Spiele. Brasilien braucht sie." Pelé greift auch ein. IOC-Vornote: 6,4 (beste Note).

Die Chancen: Rio hat gute Chancen, vor allem die geplanten Sportstätten beeindrucken.

Das spricht für Madrid: Die Stadt hatte schon bei der Bewerbung für Olympia 2012 ein gutes Bild abgegeben, das was bemängelt wurde, hat Madrid verbessert. 77 Prozent der Wettkampfstätten sind fertig oder im Bau. Kurze Wege sind geplant, außerdem steht die Bevölkerung zu 85 Prozent hinter der Bewerbung.

Das spricht gegen Madrid: Das spanische Anti-Doping-Gesetz galt als unzeitgemäß, wurde jetzt auf die Schnelle korrigiert. Aber nach den negativen Erfahrungen aus dem Radsport ("Operacion Puerto") traut man den Spaniern keinen strikten Anti-Doping-Kampf zu. Außerdem begeisterte die Präsentation wenige. Und: Die ungeschriebene olympische Regel von der "Rotation der Kontinente" sieht nach London 2012 einen anderen Kontinent vor.

Die Köpfe: König Juan Carlos präsentiert in Kopenhagen mit Ministerpräsident José Luis Rodríguez Zapatero, außerdem der ehemalige IOC-Chef Juan Antonio Samaranch: "Mit wenigen, aber gewichtigen Worten werde ich versuchen, Madrid zu helfen." IOC-Vornote: 8,2

Die Chancen: stehen eher schlecht.

Das spricht für Tokio: Die Japaner versprechen die "kompaktesten und nachhaltigsten Spiele der Geschichte". 23 der 34 Sportstätten stehen schon, 97 Prozent der Einrichtungen befinden sich weniger als acht Kilometer vom Olympiastadion entfernt. Für eine nachhaltige Nutzung will Tokio ein langfristiges, realistisches Konzept präsentieren. Außerdem sollen mehr als 1000 Hektar Grünflächen entstehen, um der Zwölf-Millionen-Einwohner-Metropole die angemessene Luftqualität zu verschaffen.

Das spricht gegen Tokio: Die Stadt erfährt nur 55,5 Prozent öffentliche Unterstützung - vom IOC bescheinigt. Das Klima: Der August, in dem die Spiele stattfinden sollen, ist der schwülste Monat des Jahres. Ob Vor- oder Nachteil: 1964 hat Tokio die Spiele bereits ausgerichtet. Und erst 2008 fanden die Spiele in Peking statt.
Die Köpfe: Ministerpräsident Yukio Hatoyama, Gold-Schwimmer Kosuke Kitajima - und ein 18 Meter hoher Roboter als Symbol der "grünen Spiele". Vornote: 8,4 (schlechteste Note)

Die Chancen: sind die schlechtesten aller vier Kandidaten.

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