Unger: Am besten trägt jeder einen Chip

Der Sprinter empfiehlt neue Wege im Anti-Doping-Kampf. Am Freitag startet er in Düsseldorf.

Düsseldorf. Wäre Tobias Unger nicht nach Düsseldorf gekommen, hätte er sich manche Mühe erspart. Seine Aufenthaltspläne waren der Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada) übermittelt, er hatte seine Pflicht erledigt, hatte angezeigt, wo und wann man ihn antreffen kann, um die nächste Dopingprobe zu nehmen. Und dann hat sich Unger kurzfristig entschlossen, am Freitag beim 4. internationalen Leichtathletik-Sportfest in Düsseldorf die 60 Meter zu laufen. 60 Meter, die Unger wieder an den Computer zwingen. Denn jetzt ist er in Düsseldorf.

Nach dem Code der Wada müssen die Athleten einen Quartalsplan aufstellen. Wo halten sie sich Tag für Tag auf? Wann genau kann man ihnen Proben entnehmen? "Ein Wahnsinn", sagt Unger. "Eigentlich finde ich es gut, aber es ist so aufwändig. Immer muss man aufpassen, dass man nichts vergisst." Er klingt gestresst "Am besten trägt man einen Chip an der Hose - es wäre einfacher", sagt er. Allen Datenschutzbedenken zum Trotz: Unger würde das tatsächlich mitmachen. Studium in Tübingen (Sport- und Gesundheitsförderung) und das tägliche Training - das alles ist ihm Stress genug.

Mit Platz zehn in der 200-Meter-Weltrangliste war er 2005 der beste weiße 200-Meter-Läufer. Der Stuttgarter hatte seinen Platz in der Weltspitze gefunden, aber er hat auch gemerkt, dass der unglaublich schwer zu verteidigen ist. Wenn sich manche internationale Konkurrenz mit unerlaubten Mitteln um Welten steigert, bleiben Unger die Hundertstel, um die er wie ein Besessener kämpft. Für sich. Nur für sich. "Ich will gar nicht mehr alles wissen und schaue nur auf mich. Meine Motivation ist es, aus mir mehr rauszuholen", sagt er.

Die deutschen Ziele in der Leichtathletik sind schon lange individuelle, gerade in den Laufdisziplinen. Der Blick auf die Konkurrenz frustriert nur. Unger gibt zu: "Man freut sich schon, wenn man liest, dass wieder einer erwischt wurde, über den man nur noch staunen konnte."

In acht Tagen will er sich bei den Deutschen Meisterschaften in Leipzig für die Hallen-EM in Turin (6. - 8. März) qualifizieren. Die WM in Berlin im Sommer ist ein noch größeres Ziel. "Berlin ist eine Heim-WM, für mich noch wichtiger als Olympia in Peking. Das erlebt man nur einmal." Bei der WM 1993 in seiner Heimat Stuttgart saß Unger als 14-Jähriger auf der Tribüne, hat Frank Fredericks ("Heute ein Freund von mir") zugeschaut und die Atmosphäre genossen. "Erst danach habe ich mich ernsthaft mit meiner Sprintfähigkeit auseinandergesetzt", sagt Unger, der im Sommer für Schlagzeilen sorgte, als er den Auftritt von Wundersprinter Usain Bolt als "Verarschung" bezeichnete. "Ich hatte nur seine Art gemeint, wie er die 100 Meter ausgelaufen ist", sagt Unger. Er sprach von Respektlosigkeit, nicht von Betrug. "Wer nicht erwischt wird, ist sauber", sagt Unger lächelnd. Er weiß, dass das Blödsinn ist.

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