Über 100 Doping-Opfer in psychiatrischer Behandlung

Berlin (dpa) - Mehr als 100 der im Moment betreuten 700 Dopingopfer aus DDR-Zeiten befinden sich nach Angaben der Doping-Opfer-Hilfe zwischenzeitlich oder dauerhaft in psychiatrischer Behandlung.

Über 100 Doping-Opfer in psychiatrischer Behandlung
Foto: dpa

Das erklärte die frühere DDR-Topsprinterin und DOH-Vorsitzende Ines Geipel anlässlich der Ehrung des Zellbiologen Werner Franke mit der Heidi-Krieger-Medaille. Der 73 Jahre alte Heidelberger Krebsforscher erhielt die weltweit einzige Auszeichnung für Engagement gegen Doping-Missbrauch in der Heinrich-Böll-Stiftung in Berlin.

Nach Geipels Worten wird die DOH „eine neue Initiative zur Unterstützung der Opfer“ starten. Den Leidtragenden des systematischen DDR-Dopings waren im Dopingprozess gegen Manfred Ewald, den früheren Vorsitzenden des Deutschen Turn- und Sportbundes der DDR, im Jahr 2000 über einen Entschädigungsfond knapp 10 000 Euro pro Kopf zugesprochen worden.

Die durch Dauerschäden psychischer und körperlicher Art belasteten Sportler müssten aber nachhaltig betreut werden. „Wir stehen in der Pflicht“, sagte Geipel. „Spektakuläre Todesfälle von aktiven Sportlern und Sportlerinnen sind nur die Spitze des Eisberges von Langzeitschäden und und erhöhter Mortalität“, erklärte Gastgeber Ralf Fücks von der Böll-Stiftung.

Immerhin finanziert das Bundesinnenministerium zu 50 Prozent eine neu eingerichtete Doping-Opfer-Beratungsstelle „Sportler in Not“. Geipel berichtete auch von Opfer-Anfragen aus den Zeiten von 1998 bis 2000 und zitierte aus erschütternden Briefen Betroffener. Sie berichtete auch von einem Trainer aus einer Eliteschule, der seinen Schülern noch 2001 Doping verabreicht habe. Alte DDR-Seilschaften aus Ex-Funktionären, Trainern und Medizinern funktionierten zum Teil weiter.

Aber systematisches Doping war bekanntermaßen nicht nur ein DDR-Phänomen. Der bei der neunten Verleihung der Krieger-Medaille ausgezeichnete Anti-Doping-Aktivist Franke, für starke Worte bekannt, sprach von „kriminellen Machenschaften“ im bundesdeutschen Sport. Er verwies wie andere auf den großen Widerspruch der öffentlich zur Schau getragenen Empörung über Doping und den gleichzeitig - gerade vor Olympia - gestellten Ansprüchen an die Topsportler.

Gastredner Richard Young, Chefjurist der US-Anti-Doping-Agentur USADA, die Lance Armstrong überführt hatte, meldete erneut Zweifel an der Glaubwürdigkeit des teilgeständigen Ex-Radprofis an. Die Blutbilder aus dessen Comeback-Jahren 2009 und 2010 deuteten auf Manipulation hin, erklärte Young. Bei seiner TV-Beichte zu Beginn des vorigen Jahres hatte Armstrong Doping in den Jahren 1999 bis 2005 zugegeben, aber bestand darauf, seine Comebacks „clean“ bestritten zu haben.

Der Molekularbiologe Perikles Simon regte an, den Anti-Dopingkampf in Deutschland nach USA-Vorbild einer privaten und vom Sport gänzlich unabhängigen Gesellschaft wie der USADA zu überlassen. Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) oder das Bundesinnenministerium seien ungeeignete Gremien.

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