Interview Turner Hambüchen: "Ich kann nicht immer Dauerbrenner sein"

Turner Fabian Hambüchen über seine Chancen, für die Olympischen Spiele in Rio noch rechtzeitig fit zu werden.

Fabian Hambüchen muss auf die Olympia-Qualifikation im April in Rio verzichten.

Fabian Hambüchen muss auf die Olympia-Qualifikation im April in Rio verzichten.

Foto: Patrick Pleul

Wetzlar/München. Fabian Hambüchen hat in seiner Karriere als Turner schon viele Übungen mit Bravour gemeistert. Einer seiner schwersten musste der 28-Jährige vor einer Woche hinter sich bringen. Der Verzicht auf die Olympia-Qualifikation am 16. April in Rio traf die deutsche Männer-Riege um Bundestrainer Andreas Hirsch bis ins Mark — Hambüchen selbst hätte liebend gerne in Brasilien tatkräftig mitgeholfen, das Ticket für die Sommerspiele nach der Enttäuschung bei der WM in Glasgow im zweiten Anlauf zu lösen. Doch eine hartnäckige Schulterverletzung verhindert seinen Start.

Herr Hambüchen, wie schwer ist es Ihnen am vergangenen Mittwoch gefallen, für die Olympia-Quali abzusagen?

Fabian Hambüchen: Natürlich war es keine leichte Situation für mich, da ich die letzten Jahre bei fast keinem Großevent gefehlt habe. Aber schon in den letzten Jahren habe ich darauf hingewiesen, dass auch ich älter werde und nicht immer der Dauerbrenner sein kann. Da merkt man extrem, dass der Nachwuchs bei uns fehlt.

Wann wussten Sie, dass die Zeit zu knapp wird bis zur Quali?

Hambüchen: I
ch habe es bis Ostern probiert und das auch so mit dem Bundestrainer abgesprochen. An Karfreitag haben wir dann eine Entscheidung gefällt, die ich am Mittwoch bekanntgegeben habe.

Wie äußern sich die Schmerzen in der Schulter?

Hambüchen:
Die letzten Jahre hatte ich primär bei bestimmten Turnbewegungen Beschwerden. Aber jetzt war es so schlimm geworden, dass ich im normalen Alltag eingeschränkt war und selbst bei den kleinsten und normalsten Bewegungen Schmerzen hatte. Ich hatte mich vor acht Wochen am Reck bei einer Drehung vergriffen und mir dabei einen zusätzlichen Schlag in der Schulter zugezogen. Das hat die bereits geschädigten beziehungsweise verschlissenen Strukturen nochmal sehr strapaziert.

Bei Olympia in Peking war es der Finger, bei der WM 2009 in London das Sprunggelenk, 2011 der Achillessehnenriss. Wo würden Sie die Schulterverletzung in Ihrer Turn-Vita einordnen?

Hambüchen:
Das andere waren alles akute Verletzungen, die direkt behandelt werden konnten. Bei der Schulter ist es etwas anders, da es sich seit vier Jahren angedeutet hat, dass mal der Punkt kommt, wo es nicht mehr geht und etwas gemacht werden muss. Das ist jetzt mehr Verschleiß, aber auch das sollten wir für dieses Jahr nochmal in den Griff kriegen.

Kommen wir mal zur Olympia-Qualifikation: Was können Ihre Riegen-Kollegen um Marcel Nguyen ohne Sie am 16. April in Rio reißen?

Hambüchen: Die Jungs sind ziemlich gut drauf und haben sich bei den letzten Wettkämpfen auch fit und motiviert präsentiert. Von daher bin ich fest davon überzeugt, dass sie die Quali schaffen und sich einfach nur auf sich selbst konzentrieren müssen.

Wie werden Sie die Qualifikation verfolgen?

Hambüchen:
Ich weiß es noch nicht — irgendwie, irgendwo wird sich im Internet schon was finden, aber natürlich werde ich probieren, so viel wie möglich mitzubekommen.

Wie sieht Ihr persönlicher Fahrplan in diesem Frühjahr jetzt weiter aus?

Hambüchen:
Mein Plan ist es, bis zu den Deutschen Meisterschaften in Hamburg Ende Juni wieder fit zu werden. Ich habe genug Wettkämpfe in meinem Leben gemacht und weiß ganz genau, dass, wenn mein Körper gesund und fit ist, ich auch jederzeit einsetzbar bin. Das Mentale bereite ich mit meinem Onkel Bruno vor. Jetzt gilt es, den Körper wieder auf Vordermann zu bringen.

Und wenn Sie auch Ihre letzte Chance auf Olympia-Gold wegen dieser Verletzung verpassen würden?

Hambüchen:
Genau das ist das Problem: Alle erwarten, dass ich bei jedem Wettkampf zu hundert Prozent fit und einsetzbar bin. Jeder erwartet, dass ich natürlich Gold hole, wenn ich fit bin. Keine Sau interessiert es, dass ich mittlerweile seit 14 Jahren auf diesem hohen Niveau turne und vielleicht die Chancen heutzutage nicht mehr so groß sind wie noch vor acht Jahren in Peking. Man muss bei der ganzen Geschichte mal realistisch bleiben: Ich turne, weil es mir Spaß macht. Und wenn die Schulter einen Start dieses Jahr nochmal zulässt, dann ist’s super. Aber wenn nicht, habe ich trotzdem eine tolle Karriere gehabt und freue mich auf das Leben danach.

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