Bei Becker-Premiere Nervenspiel: 1:1 im Davis Cup in Portugal

Oeiras (dpa) - Nach der enttäuschenden Vorstellung von Jan-Lennard Struff im Abstiegsduell in Portugal stieg Boris Becker schweren Schrittes die Steintreppen im malerischen Clube de Ténis do Jamor hinauf und steuerte rasch den Ausgang an.

Bei Becker-Premiere: Nervenspiel: 1:1 im Davis Cup in Portugal
Foto: dpa

Anstatt sich über die erhoffte Vorentscheidung und eine 2:0-Führung des deutschen Davis-Cup-Teams zu freuen, musste der neue Chef im Herren-Tennis ein 1:1 nach dem Eröffnungstag kommentieren, gab sich aber optimistisch und kämpferisch für den Kampf gegen den Abstieg aus der Weltgruppe.

„Hätte uns jemand vorher gesagt, dass es heute Abend 1:1 steht, wären wir zufrieden gewesen“, sagte Becker. „Natürlich keimte nach der Führung ein Funken Hoffnung auf das 2:0 auf, aber wir sind mitten im Match, alles gut“, sagte Becker. Gemeinsam mit Bundestrainer Michael Kohlmann wollte er am Freitag „beim Abendessen positive Stimmung verbreiten und die Matches aufarbeiten“, kündigte er an.

Weil der favorisierte Jan-Lennard Struff die Vorlage des überraschenden Auftaktsieges von Cedrik-Marcel Stebe nicht nutzen konnte und gegen Pedro Sousa 2:6, 5:7, 6:7 (5:7) verlor, droht der ersatzgeschwächten Auswahl des Deutschen Tennis Bundes in der Relegationspartie in der Nähe von Lissabon ein Nervenspiel.

Stebe hatte gegen die portugiesische Nummer eins Joao Sousa, der mit Pedro Sousa nicht verwandt ist, 4:6, 6:3, 6:3, 6:0 gewonnen und für die 1:0-Führung gesorgt. „Jeder Punkt zählt, vielleicht nimmt ihm das etwas Druck“, hatte der Weltranglisten-90. Stebe gesagt. Doch das Gegenteil war der Fall: Struff kam nach den Absagen von Alexander Zverev, Mischa Zverev und Philipp Kohlschreiber mit seiner Rolle als Nummer eins überhaupt nicht zurecht und kassierte in 2:19 Stunden die unerwartete Niederlage gegen die Nummer 107 der Welt.

„Ich bin mega-enttäuscht. Ich hatte große Probleme mit dem Wind und habe gar nicht zu meinem Spiel gefunden“, sagte der 27-Jährige aus Warstein. Mangels Alternativen wird Struff dennoch ziemlich sicher am Samstag (15.30 Uhr MESZ) mit dem Davis-Cup-Debütanten Tim Pütz das Doppel bestreiten. „Das wird ein großes Match, könnte entscheidend werden“, sagte Kohlmann. Auf die Frage, ob er mit dem 1:1 nach dem ersten Tag zufrieden sei, antwortete er: „Um ehrlich zu sein: Nein.“

Der erste Abstieg aus der Weltgruppe der besten 16 Nationen seit 2003 ausgerechnet bei der Premiere von Becker als Head of Men's Tennis wäre für den DTB ein sportlich herber Rückschritt und vor allem in der öffentlichen Wahrnehmung ein heftiger Rückschlag.

Der Verlierer der Partie auf Sand steigt in die Europa/Afrika-Gruppe ab, der Sieger spielt im kommenden Jahr in der Weltgruppe der besten 16 Nationen. Ein Sieg des Ranglisten-54. Struff wäre daher wohl eine Vorentscheidung gewesen, doch der 27 Jahre alte Warsteiner leistete sich bei extrem windigen Bedingungen ungewöhnlich viele Fehler, wirkte fahrig und ungeduldig. Auch die aufmunternden Gesten Beckers aus der deutschen Box halfen dem 1,96 Meter großen Struff nicht.

Stebe dagegen schien allein von der bloßen Anwesenheit des dreimaligen Wimbledonsiegers zu profitieren. „Ich habe irgendwann gemerkt, dass er da ist. Es hat mich schon angespornt. Wenn Boris da ist, will man ja auch was zeigen“, sagte der 26-Jährige aus Vaihingen. Becker hatte kurz vor dem Match den Platz verlassen, um Struff auf dessen Partie vorzubereiten. Erst am Anfang des zweiten Satzes kehrte Becker auf die Tribüne zurück und setzte sich zum deutschen Betreuerstab auf die Steinbänke. „Wir haben uns gestern ein bisschen unterhalten. Man sieht, dass er viel Erfahrung hat und einem Tipps geben kann. Ich nehme jeden Krümel mit, den er mir gibt“, schilderte Stebe die Zusammenarbeit mit dem neuen Herren-Chef.

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