Schwarzkopf holt Siebenkampf-Silber - Briten 3 x Gold

London (dpa) - Nach einem Disqualifikations-Drama hat Siebenkämpferin Lilli Schwarzkopf den deutschen Leichtathleten das zweite Olympia-Silber beschert. Die 28-Jährige von der LG Rhein-Wied durfte nach langem Hin und Her am Samstag doch jubeln.

Hingegen erfüllten sich in London die Medaillenwünsche von Weitspringer Sebastian Bayer und Diskuswerferin Nadine Müller nicht. 80 000 euphorische Zuschauer feierten beim britischen Festabend im ausverkauften Olympiastadion die Triumphe von Jessica Ennis im Mehrkampf und Greg Rutherford in der Sandgrube - und vor allem von Mo Farah in einem fantastischen 10 000-Meter-Rennen. Gold im 100-Meter-Sprint der Frauen ging wieder an Jamaika.

Um 21.45 Uhr erbebte die Arena in ihren Grundfesten, als Farah als Erster über die Ziellinie rannte und sich fassungslos an den Kopf fasste. 1993 hatte der gebürtige Somalier seine Heimat als Flüchtling verlassen, 19 Jahre später stand er als Olympiasieger da - und als seine Frau und seine Tochter in den Innenraum eilten, da standen vielen Zuschauern die Tränen in den Augen. Die Konkurrenz aus Afrika ging bis auf Bronze für den Äthiopier Tariku Bekele leer aus. Denn Silber gewann hinter Farah (27:30,42 Minuten) überraschend Galen Rupp aus den USA, der sein Glück nicht fassen konnte.

Einen Tag vor dem Sprint-Showdown der Männer mit dem erwarteten Duell von Usain Bolt und Yohan Blake ging das 100-Meter-Finale der Frauen fast unter: Die Jamaikanerin Shelly-Ann Fraser-Pryce rannte wie vor vier Jahren in Peking zum Sieg. In 10,75 Sekunden setzte sie sich vor Weltmeisterin Carmelita Jeter aus den USA (10,78) und ihrer Teamkollegin Veronica Campbell-Brown (10,81) durch. Die frühere Europameisterin Verena Sailer war im Halbfinale ausgeschieden.

Am ersten Wettkampftag hatte David Storl Silber im Kugelstoß-Krimi gewonnen und den deutschen Leichtathleten einen glänzenden Auftakt beschert. Lilli Schwarzkopf musste lange um ihr Edelmetall bangen. Beim abschließenden 800-Meter-Lauf wurde sie zunächst disqualifiziert - allerdings irrtümlich. Um kurz vor 22.30 Uhr Ortszeit bekam sie die Silbermedaille schließlich doch umgehängt. „Hauptsache es glänzt - egal, welche Farbe“, sagte sie. Gold holte wie erwartet die an zwei Tagen gefeierte Britin Jessica Ennis mit 6955 Punkten.

Weitsprung-Europameister Bayer ging auch bei seinen zweiten Sommerspielen leer aus. Mit 8,10 Meter und als Fünfter blieb der hochtalentierte 26-Jährige vom Hamburger SV unter seinen Möglichkeiten. Rotschopf Rutherford wurde seiner Favoritenrolle gerecht und machte nach seinen 8,31 Metern Freudensprünge. Viel fehlte Bayer nicht zu Edelmetall: Der Australier Mitchell Watt holte mit 8,16 Meter Silber, Will Claye aus den USA mit 8,12 Meter Bronze.

Müller hätte die erste Olympia-Medaille einer deutschen Diskuswerferin seit Ilke Wyluddas Gold 1996 in Atlanta holen können. Doch die 26-Jährige aus Halle/Saale hatte den Dreh nicht raus und enttäuschte mit 65,94 Metern. Weinend vor Freude ging die Kroatin Sandra Perkovic nach ihrem Landesrekord von 69,11 Metern auf die Ehrenrunde. Sie hatte erst bei der EM im Juni in Helsinki triumphiert. Zweite wurde die Russin Darja Pischtschalnikowa (67,56), die kurz vor Peking 2008 wegen Dopings aus dem Verkehr gezogen worden war, vor Weltmeisterin Li Yanfeng aus China (67,22).

Der schnellste Mann der Erde taumelte, fiel aber beim Start seiner Multi-Gold-Mission nicht. „Es war ein schlechter Start. Ich bin gestolpert“, sagte der dreimalige Peking-Olympiasieger und Weltrekordler Usain Bolt nach dem Beinahe-Sturz im 100-Meter-Vorlauf. „Ich bin froh, dass es jetzt passiert ist.“ Beim Schnellen aus dem Startblock wankte sein Oberkörper, bevor Bolt die Balance fand, die Konkurrenten einholte und dann doch ganz locker in 10,09 Sekunden als Erster ins Ziel kam.

Vor dem Finale am Sonntagabend gaben sich auch Bolts Rivalen keine Blöße. Sein jamaikanischer Freund Yohan Blake, der nach Bolts Fehlstart bei der Weltmeisterschaft 2011 den Sprint-Titel holte, kam in 10,00 Sekunden weiter. Die Ex-Weltrekordler Asafa Powell (Jamaika/10,04) und Tyson Gay (USA/10,08) ließen es langsam angehen.

Hinter der Sonnenbrille verbarg Oscar Pistorius seine Aufregung, bevor er auf seinen zwei Karbon-Prothesen seine historische Runde im Olympiastadion drehte. „Ich war so nervös am Morgen“, bekannte der 25-jährige Südafrikaner nach seiner Premiere als beidbeinig amputierter 400-Meter-Läufer bei Olympischen Spielen. „Ich wusste nicht, ob ich weinen sollte oder nicht.“ Unter dem frenetischen Jubel der 80 000 Zuschauer zog der „Blade Runner“ mit 45,44 Sekunden ins Halbfinale ein. Er hatte 2008 gegen das Startverbot durch den Leichtathletik-Weltverband IAAF vor dem Internationalen Sportgerichtshof CAS mit Erfolg geklagt.

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