Russland plant teuerste Olympische Spiele

Moskau (dpa) - Winterspiele unter Palmen: Der Countdown für die ersten russischen Olympischen Winterspiele in Sotschi 2014 läuft.

Die Eisarenen an der Schwarzmeer-Küste sind in Betrieb. 45 Kilometer weiter im Kaukasusgebirge bei Krasnaja Poljana fahren Gondeln zu den alpinen Wettkampfstätten. In den Bergen liegt Schnee. Ein Jahr vor dem Start sei Sotschi zu rund zwei Dritteln bereit - „als Schaufenster für ein neues Russland“, tönte der Chef des Organisationskomitees, Dmitri Tschernyschenko.

Der Funktionär mit dem kahlen Kopf spricht gern von „Kremlchef Wladimir Putins Spielen“. Der russische Präsident wird an diesem Donnerstag (7. Februar) mit IOC-Chef Jacques Rogge den Startschuss für „ein Jahr bis Olympia“ geben. Parallel zu den Feierlichkeiten treffen sich die Teamchefs aller Länder bis Freitag zu organisatorischen Meetings in Sotschi. Dabei vertritt Michael Vesper, erneut Chef de Mission der deutschen Olympia-Mannschaft, die Interessen des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB).

Das deutsche Team, mit 30 Medaillen (10 Gold, 13 Silber, 7 Bronze) Zweiter im globalen Wettstreit von Vancouver 2010, will bei den Sotschi-Spielen wieder um den Gesamtsieg in der Nationenwertung mitkämpfen. Gastgeber Russland plant nach der historischen Pleite in Kanada mit nur drei Goldmedaillen diesmal den Sprung an die Spitze. Dafür seien etwa 15 Goldmedaillen nötig und auch möglich, prophezeit Alexander Schukow, Präsident des Nationalen Olympischen Komitees von Russland.

Für diese Vorgabe musste er sich von internationalen Spitzenfunktionären schon Größenwahn vorhalten lassen, aber seine Ankündigung passt zu den allgemeinen Ambitionen. Mit bisher 37,5 Milliarden Euro kostet Sotschi 2014 schon jetzt fünfmal mehr als ursprünglich geplant und ist das teuerste Spektakel der olympischen Geschichte. Alles nicht so wild, meinte Vizeregierungschef Dmitri Kosak unlängst.

Mehr als die Hälfte des Geldes komme von Investoren wie den Staatskonzernen und superreichen Oligarchen. Der Kreml hat sie zur Mithilfe verdonnert für Olympia 2014. Organisator Tschernyschenko, der selbst aus der Stadt mit rund 400 000 Einwohnern stammt, betont, dass der Sommerkurort nun endlich ein echtes Wintersportziel sei.

2014 will der Kreml in Sotschi zudem die Führer der Welt zum G8-Gipfel empfangen. Der Sicherheitsaufwand gegen Terroristen ist gigantisch. Die Region liegt in der Nähe von Konfliktgebieten wie dem islamisch geprägten Nordkaukasus und Abchasien, das Russland nach einem Krieg mit Georgien 2008 als unabhängigen Staat anerkannte.

In Sotschi will sich Russland mit einem neuen Flughafen, Straßen und Bahnstrecken, Luxushotels und atemberaubender Natur von seiner besten Seite zeigen. Bei den aktuellen internationalen Wettbewerben loben schon jetzt westliche Sportler die neuen Sportstätten. Doch bei vielen Einheimischen hält sich die Begeisterung in Grenzen.

In Internet-Blogs klagen genervte Bürger über Baulärm rund um die Uhr, verpestete Luft und giftigen Bauschutt, Staus durch Lastwagen und über angeblich mehr Kriminalität wegen der vielen Gastarbeiter. Auch Menschenrechtler etwa von der Organisation Human Rights Watch oder Umweltschützer prangern immer wieder schwere Rechtsverstöße auf dem Weg zu Olympia an.

Die Vorwürfe drehen sich um Umweltsünden, zwangsumgesiedelte Bürger, die sich nicht gerecht entschädigt fühlen, und um Gastarbeiter aus den zentralasiatischen Ex-Sowjetrepubliken, die wie Sklaven ausgebeutet würden. Russische Journalisten berichten über Druck von Behörden, kritische Berichte lieber zu unterlassen.

Die Organisatoren wischen solchen Missklang gerne beiseite. Tschernyschenko redet viel lieber über die Vorzüge Sotschis. Da wären etwa die von der Regierung festgeklopften Hotelpreise, um den in Russland beliebten Preiswucher zu brechen. Der Funktionär preist die Olympiastadt als leuchtendes Beispiel für ganz Russland. Sotschi sei ein Modell für behindertengerechtes Leben. Tschernyschenko ist sicher, dass nicht zuletzt die Paralympischen Spiele im Anschluss dazu führen werden, Russland „mental zu verändern“.

Und die Risiken? „Das größte Risiko für die Winterspiele ist das Wetter“, sagt Tschernyschenko. Satte Plusgrade sind möglich - die wärmsten Winterspiele der Historie, denn das Klima im Süden ist subtropisch zwischen Meer und Gebirge. Deshalb horten die Gastgeber schon seit Jahren in riesigen Depots tonnenweise Schnee für die Wettkämpfe. 430 Schneemaschinen stehen bereit.

Die öl- und gasreiche Rohstoffgroßmacht nehme eine horrende Energieverschwendung in Kauf, um den Winter nach Sotschi zu bringen, kritisieren Umweltschützer. Vor allem aber mussten die Organisatoren fast alle Sportstätten neu bauen - mit extremen Eingriffen in die Natur.

Zehn Jahre dauerte die Vorbereitung auf „das wichtigste Ereignis des Planeten“ im Februar 2014, wie Tschernyschenko betont. Schon jetzt gehe es darum, das Erbe auch nach der Schlusszeremonie am 23. Februar lebendig zu halten. Viele der Wettkampfstätten sollen später abgebaut und an anderen Orten wieder errichtet werden.

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