Dopingskandal IOC berät über Strafe - Russland will Sportler schützen

Lausanne/Moskau (dpa) - Russland will Strafen des Internationalen Olympischen Komitees im Dopingskandal nicht einfach hinnehmen. Der Sprecher von Russlands Präsident Wladimir Putin kündigte in Moskau an, das Land werde sich schützend vor seine Sportler stellen.

Dopingskandal: IOC berät über Strafe - Russland will Sportler schützen
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Kremlsprecher Dmitri Peskow wollte sich nicht zu Gegenmaßnahmen äußern. Russland hat auf jeden Fall das Recht, Entscheidungen des IOC vor dem Internationalen Sportgerichtshof CAS anzufechten.

„Wir ziehen es vor, jetzt Schweigen zu bewahren, bis das IOC seine Entscheidung veröffentlicht und vor allem bis wir eine offizielle, schriftliche Information dazu erhalten“, sagte Peskow, ein Vertrauter Putins, der Agentur Interfax zufolge. Tags zuvor hatte er einen Boykott ausgeschlossen.

Ein halbes Jahr vor der Fußball-Weltmeisterschaft in Russland musste Putin eine demütigende Entscheidung des IOC für die stolze Sportgroßmacht fürchten. Im schlimmsten Fall konnte die russische Mannschaft komplett von den Olympischen Winterspielen im südkoreanischen Pyeongchang vom 9. bis 25. Februar ausgeschlossen werden.

Die 14-köpfige Führungsspitze des IOC unter Leitung des deutschen Präsidenten Thomas Bach beriet in Lausanne, welche Strafe für jahreslanges, systematisches und staatlich gedecktes Doping angemessen war. Im Fokus standen vor allem die ausgefeilten Manipulationen bei den Winterspielen 2014 im russischen Sotschi.

Auf dem Tisch lagen neben dem Komplettausschluss auch ein Start nachweislich sauberer russischer Athleten unter neutraler Flagge - also ohne Hymne und andere nationale Embleme - sowie gegebenenfalls eine Geldstrafe. Russland leugnet strikt ein staatliches Dopingsystem.

Auch eine russische Delegation war geladen - unter anderen mit dem Präsidenten des Nationalen Olympischen Komitees (NOK), Alexander Schukow, sowie dessen Vorgänger Witali Smirnow, Leiter der Anti-Doping-Kommission. Sie sollte Gelegenheit bekommen, Stellung zu beziehen und am Ende der Beratungen als erste über die getroffenen Maßnahmen informiert zu werden.

Das IOC hatte ungeachtet der schweren Vorwürfe im Bericht des kanadischen Ermittlers und Rechtsprofessors Richard McLaren vor den Olympischen Spielen 2016 in Rio de Janeiro auf die Kollektivstrafe eines Ausschlusses verzichtet. Stattdessen ordnete das IOC Einzelfallprüfungen der Athleten durch die zuständigen internationalen Fachverbände an. Das führte zu Ungleichbehandlungen, da Verbände unterschiedlich vorgingen, sowie Klagen vor dem CAS.

IOC-Präsident Bach muss sich seitdem immer wieder anhören, er persönlich habe nicht genug Härte gegen Russland gezeigt. Seit Rio hat sich auch für das IOC die Beweislage erhärtet und Bach hatte schonungslose Aufklärung versprochen.

Dabei sollten zwei Kommissionen helfen. Unter Leitung des Schweizer IOC-Mitglieds Denis Oswald prüfte eine Expertenrunde inzwischen in 36 Fällen einen Dopingverdacht - auch mit extra entwickelten kriminaltechnischen Methoden. Das Problem: Eine eigentlich mit Dopingsubstanzen verseuchte Probe gibt es nicht, sondern nur einen vermutlich manipulierten Behälter mit nachträglich getauschtem sauberen Urin.

In inzwischen 25 Fällen disqualifizierte das IOC russische Sportler, unter ihnen Medaillengewinner von Sotschi, und sprach lebenslange Olympia-Sperren aus: Die „forensischen und analytischen Dopinguntersuchungen“ seien eindeutig, so die Oswald-Kommission. Die Russen kündigten an, die Sperren vor den CAS anzufechten.

Auch der Kronzeuge des Skandals, Grigori Rodschenkow, den das IOC für glaubwürdig hält, stützte mit neuen Beweisen den Vorwurf des Staatsdopings: Der ehemalige Leiter des Moskauer Anti-Dopinglabors berichtete erneut, er habe darüber in höchsten politischen Kreisen - beispielsweise mit dem damaligen Sportminister und heutigen Vizeregierungschef Witali Mutko - gesprochen.

Rodschenkow, der eine eidesstattliche Erklärung abgab, lebt heute in den USA unter dem Schutz des FBI an einem unbekannten Ort. Russland fordert seine Auslieferung.

Zuletzt spielte er der Welt-Anti-Doping-Agentur WADA die Datenbank des Moskauer Dopinglabors zu, die die WADA für echt hält. Mit diesem Datensatz, der den Betrug nach Einschätzung der WADA dokumentiert, beschäftigte sich auch die sogenannte Schmid-Kommission des IOC.

Unter Leitung des früheren Schweizer Bundespräsidenten Samuel Schmid versuchte diese Kommission herauszufinden, wer in dem von McLaren beschriebenen System welche Verantwortung trug. Diese Erkenntnisse sollten vor allem als Grundlage der IOC-Entscheidung dienen. Wäre nachzuweisen, dass außer Spitzenpolitikern und -funktionären auch das russische NOK von all dem gewusst und dies geduldet hatte, wäre das eine Basis für einen Komplettausschluss.

Auch für McLaren, der im Auftrag der WADA in zwei Berichten das umfangreiche Material zu den staatlich gesteuerten Manipulationen gesammelt hatte, war Rodschenkow ein maßgeblicher Informant. Nach Erkenntnis McLarens profitierten mehr als 1000 Athleten zwischen 2011 und 2015 von dieser „institutionellen Verschwörung“.

Weil Russland sich weiter weigert, dieses staatlich gedeckte System einzuräumen, hielt die WADA die Suspendierung der russischen Anti-Doping-Agentur RUSADA aufrecht. Der Leichtathletik-Weltverband IAAF bestätigte Ende November die Sperre russischer Athleten für internationale Wettkämpfe.

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