Harting von einer Last befreit

Der 27-Jährige übt aber auch Kritik an der mäßigen Förderung des Spitzensports.

London. Robert Harting wirkte auf einmal ganz anders. Nicht laut wie sonst. Fast zurückhaltend. Nachdenklich. „Es war wirklich atemberaubend, ich bin berührt von diesem Wettkampf, sehr berührt. Das Gold von London ist für mich pures Glück.“

Zuviel hatte er davon zuletzt nicht. Diskuswerfer Robert Harting ist jetzt Olympiasieger, Welt- und Europameister. „Ich fühle mich extrem befreit. Druck ist nichts Neues für mich. Aber in der Form, in der Dimension, in der Intensität, das war neu.“

Er spürte das schon in der Qualifikation. Und im Finale spielten die viel kritisierten Kampfrichter eine unrühmliche Rolle. „Den ersten Wurf wollte ich nicht werfen, weil die 800 Meter anstanden, beim zweiten Wurf waren die Leute so laut — ich konnte nicht denken. Beim dritten musste ich meine Scheibe ablegen, weil der britische Kampfrichter meinte, das Handtuch liege zu dicht am Ring. Ich bin überhaupt nicht in den Wettkampf gekommen“, erzählte Robert Harting.

Trotzdem hat er nach zwölf Jahren die erste Goldmedaille für die deutsche Leichtathletik bei Olympischen Spielen gewonnen. Im fünften Versuch gelang ihm mit 68,27 Meter der große Wurf. „Es war ein schweres Jahr“, sagte er. Seine langjährige Freundin trennte sich von ihm, das Knie machte immer wieder große Sorgen, und als die Spiele immer näher kamen, wurde die von ihm selbst forcierte Programmierung auf Gold zum Problem. „Und im Wettkampf wurden die Beine immer schwerer.“

Als das Gold feststand, stieg er vor 80 000 Zuschauern die fünf Stufen zum Olympischen Feuer hoch und blickte in die Flammen: „In diesem Moment war ich nur bei mir, ich habe die Leute nicht gehört. Es ist schön, ein Ziel zu erreichen.“

Nach dem Goldtriumph klauten sie ihm die Akkreditierung. Ins Olympische Dorf kam er nicht. Irgendwann half ein Offizieller, er akkreditierte ihn neu und ließ ihn ins Dorf. Tags darauf ist er schon wieder der kritische Athlet, der er immer war. „Warum sollen ausgerechnet Athleten nicht über Geld reden können“, sagte Harting. „Jeder redet über Geld bei uns, in der Politik, in der Wirtschaft. Nur den Sportlern nimmt man das übel. Für den Spitzensport gibt es in Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern eindeutig zu wenig. Wir überweisen das Geld lieber in andere Länder, damit die wieder auf die Beine kommen.“

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