„Scheuklappen“ auf: Kienle gewinnt Ironman auf Hawaii

Kailua Kona (dpa) - Kurz vor der Krönung zum Ironman-König von Hawaii blieb Sebastian Kienle stehen. Dann erst machte er mit der Deutschland-Flagge in den Händen den letzten Schritt seiner 226 Kilometer langen Höllentour durch das Paradies.

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„Ich habe die Scheuklappen aufgehabt bis ganz zum Schluss“, sagte der 30-Jährige aus Mühlacker nach seinem WM-Triumph. Erst auf dem letzten Stück ließ er die Freude und die Begeisterung der Zuschauer an sich heran. „Ich habe das erst die letzten 100 Meter zugelassen und wollte den Moment ein bisschen hinauszögern“, sagte er zu dem Augenblick des Innehaltens auf der Zielrampe des Alii Drive in Kailua Kona.

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Nach 3,86 Kilometern Schwimmen im Pazifischen Ozean, 180,2 Kilometern Radfahren gegen Wind und Hitze und einem Marathon-Lauf erreichte er in 8:14:18 Stunden mehr als fünf Minuten vor dem US-Amerikaner Ben Hoffman (8:19:23) das Ziel.

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Dritter wurde bei seinem Hawaii-Debüt der mitfavorisierte Olympiasieger Jan Frodeno (8:20:32) - trotz eines Platten auf der Radstrecke und einer vierminütigen Zeitstrafe. „Das war Werbung für unseren Sport. Er ist ein Champion“, meinte der Saarbrücker über Kienle. Der Berliner Nils Frommholz wurde bei seiner WM-Premiere starker Sechster. Der gebürtige Lemgoer Maik Twelsiek verpasste als Elfter nur knapp die Top Ten.

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„Es ist schon noch Wahnsinn. Erst war es ein Traum und irgendwann ein Ziel“, sagte Kienle sichtlich befreit von einer Last durch die eigenen Ansprüche. „Immer wenn ich hier in den letzten Tagen nach dem Schwimmen an den Bannern mit den Champions vorbeigegangen bin, die am Pier stehen, dann habe ich gedacht: Da will ich auch mal stehen.“

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Nun hat er es geschafft: Als vierter Deutscher nach Thomas Hellriegel (1997), Normann Stadler (2004 und 2006) und Faris Al-Sultan (2005) wird Kienle vom kommenden Jahr an einen eigenen Champions-Banner beim Ausdauer-Klassiker auf Big Island haben. Zudem ist er der erste Triathlet überhaupt, der in einem Jahr die Europa- und die Weltmeisterschaft gewann.

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Den entscheidenden Kampf um den Siegerkranz von Hawaii hatte Kienle aber schon lange vor dem Start am frühen Morgen gewonnen. Drei Wochen zuvor war im Training nichts mehr bei ihm gegangen. Am liebsten wollte er nach Hause fliegen und seine Karriere beenden. „Ich bin nach dem 18. Platz bei der 70.3-WM nicht gerade euphorisch nach Kona gereist. Klar fängt man da an, ein bisschen zu zweifeln, an der Vorbereitung, am Training, an sich selber“, sagte er.

Doch er tat es nicht, biss sich durch und gewann den Kampf gegen sich: „Beurteile dein Leben nicht nach einem schlechten Tag, beurteile es nach dem besten Tag“, lautete das Credo des Vorjahres-Dritten und Vierten von 2012.

Diesen besten Tag seines Lebens erlebte Kienle am Samstag. Nach dem Schwimmen, seiner schwächsten Disziplin, stieg er mit einem Rückstand von weniger als vier Minuten aus dem Pazifischen Ozean. Auf dem Rad setzte er wie gewohnt zur Aufholjagd an und schaffte schon bald den Sprung an die Spitze. Dort fuhr er lange mit Twelsiek zusammen. Bei Rad-Kilometer 140 übernahm er endgültig die Führung. Auch auf der Laufstrecke geriet sein Erfolg nicht mehr in Gefahr.

Das erhoffte Duell mit seinem Kumpel Frodeno fiel indes aus. Der Plattfuß am Rad und besonders die vierminütige Zeitstrafe, weil er sich falsch eingefädelt hatte, brachten den Olympiasieger aus dem Tritt. „Die Strafe hat mental reingehauen“, sagte der EM-Dritte. „Ich habe das nur noch durchgezogen, um dem Rennen den Respekt zu zollen. Und auch für die Zukunft, um zu sehen, das Aufgeben keine Option ist.“

Dass er künftig mit Frodeno als Konkurrenten rechnen muss, weiß Kienle: „Der Jan hat nicht nur die körperlichen Möglichkeiten, der ist auch mental bereit, auf diesem Level zu leiden.“

Ein ähnliches Debüt wie Frodeno und Frommholz gelang Julia Gajer („Mein bisher krassestes Rennen.“) aus Ditzingen. Sie wurde bei ihrem ersten Hawaii-Start starke Sechste. Den Sieg holte sich zum dritten Mal nach 2010 und 2013 Mirinda Carfrae. Die Australierin fing wenige Kilometer vor dem Ziel die Schweizer Debütantin Daniela Ryf noch ab. Dritte wurde die Britin Rachel Joyce.

Die 33-jährige Carfrae gewann in 9:00:55 Stunden. Im Marathon verbesserte sie ihren eigenen Streckenrekord aus dem Vorjahr mit 2:50:27 Stunden um elf Sekunden. Zum Vergleich: Frodeno war über die 42,195 Kilometer als bester Mann in 2:47:47 Stunden nicht wesentlich schneller.

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