Tour-TV: Erst zu nah, dann zu kritisch?

Hannover (dpa) - Eine Fernseh-Ära geht zu Ende, ARD und ZDF sind derzeit in Frankreich auf Abschieds-Tour. Das Aus für die Live-Berichterstattung über die Tour de France ist längst verkündet, aber die öffentlich-rechtlichen Sender wollen das Radsport-Ereignis auch künftig nicht totschweigen.

„Wir haben Interesse an Rechten für Magazin-Sendungen und Nachrichten“, sagte ARD-Sportkoordinator Axel Balkausky der Nachrichtenagentur dpa im Hinblick auf 2012. „Wir wollen auch in Zukunft nachrichtlich berichten“, erklärte Balkausky. „Es ist nach wie vor eines der größten Sport-Ereignisse der Welt.“ Ein Zurück zu langen Live-Strecken werde es aber in absehbarer Zeit nicht geben.

„Geringe Akzeptanz“ ist das Hauptargument für das Ende der langen Übertragungen. 1,15 Millionen Menschen schauten in der ersten Tour-Woche im Durchschnitt bei ARD/ZDF zu, das entspricht nach Senderangaben einen Marktanteil von 9,3 Prozent. Weitere 0,29 Millionen Menschen sahen die Tour bisher bei Eurosport (Marktanteil 2,5 Prozent).

Die Quoten waren bei ARD und ZDF jahrelang rückläufig, das Dauerthema Doping sorgte sowohl bei Zuschauern als auch bei den TV-Machern für Ernüchterung. Zu Hoch-Zeiten des später gestrauchelten Radsport-Helden Jan Ullrich verzeichneten die Sender pro Etappe mehr als drei Millionen Zuschauer und durchschnittliche Marktanteile von fast 30 Prozent.

Die Sender ließen die Radsport-Helden in diesen erfolgreichen Jahren hoch leben. Vor allem die ARD wurde jedoch wegen ihrer Nähe zum Team Telekom, wegen ihres Sponsorings und eines Vertrages mit Ullrich attackiert. „Das ist schon erkannt, dass die Annäherung ein Fehler war“, sagte Balkausky im Rückblick.

2007 stiegen ARD und ZDF nach etlichen Dopingskandalen während der Frankreich-Rundfahrt aus der Live-Berichterstattung aus, Sat.1 versuchte sich mit einem Kurz-Gastspiel. Aufgrund bestehender Verträge kehrten die öffentlich-rechtlichen Sender ein Jahr später zurück.

„Das Volumen der Berichterstattung über Doping hat seit den Vorfällen immer breiteren Raum eingenommen“, erklärte der ARD-Sportkoordinator. Und das ZDF teilte vor der diesjährigen Tour vorsichtshalber mit: „Zur objektiven Berichterstattung gehört auch das Thema Doping. Sollte es Vorfälle geben, werden diese für die Zuschauer kritisch begleitet.“

Einigen Radsport-Fans - und beteiligten Profis - ist das Doping-Thema zu viel. Sie schauen die Tour beim Spartensender Eurosport, der noch bis 2015 Live-Rechte besitzt. Oder sie fordern sogar auf Internet-Seiten dazu auf, sich zu beschweren.

Tour-Routinier Andreas Klöden, der auf das Thema Doping stets allergisch reagiert, gab via Twitter TV-Empfehlungen: „Wenn ihr Radsport schauen wollt, wählt Eurosport, die berichten durch die klare Brille. Nicht wie ARD und ZDF.“ Die Fernsehsender können es den Zuschauern offensichtlich nur schwer recht machen.

Eurosport-Reporter Karsten Migels warf den ARD-Kollegen „Stimmungsmache“ im Zusammenhang mit dem Fall Alexander Kolobnew vor. „Es ist schon verwunderlich, da berichten die der ARD angeschlossenen Radiosender eine Woche nicht über die Tour de France, gibt es aber nun den ersten Dopingfall eines 'relativ unbekannten' Fahrers, kommen sie bei SWR3 sogar in den Nachrichten damit“, teilte Migels via Facebook mit.

Unzufrieden mit der kritischen Haltung von ARD/ZDF ist auch der Radsport-Weltverband (UCI). Und er zeigt das auf merkwürdige Art und Weise. „Die UCI verweigert uns Interviews zum Thema Doping“, berichtete Balkausky: „Der Sprecher hat das damit begründet, dass wir immer so negativ berichten würden.“

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