Abschiedsspiel Podolski geht als Kapitän von Bord

Spaßfußballer, Stimmungskanone, Mann mit Werten: Lukas Podolski verlässt am Mittwoch die Nationalmannschaft. Eine kleine Ehrung eines Großen.

Ihr herzliches Verhältnis wurde am Dienstag zwischen Bundestrainer Joachim Löw und Lukas Podolski in Dortmund deutlich.

Ihr herzliches Verhältnis wurde am Dienstag zwischen Bundestrainer Joachim Löw und Lukas Podolski in Dortmund deutlich.

Foto: dpa

Dortmund. Im Sommer packt er wieder seine Koffer und zieht weiter von Istanbul ins japanische Kobe. Es wird nochmal anders im Leben von Lukas Podolski. Noch einmal. Vorher verabschiedet er sich. Vom DFB, von der deutschen Fußball-Nationalmannschaft. Und von den Fans, die ihn morgen im Länderspiel gegen England in Dortmund (20.45 Uhr/ARD) feiern werden.

Podolskis Karriere im Nationalteam begann 2004 (v.l.) vor der EM in Portugal.

Podolskis Karriere im Nationalteam begann 2004 (v.l.) vor der EM in Portugal.

Foto: UweSpeck

„Das war es dann, ein komisches Gefühl, es war eine schöne Zeit, ich bin stolz darauf“, sagt Lukas Podolski am Dienstag im Dortmunder Fußballmuseum. Aber nicht, dass er einer für das Museum wäre, beileibe nicht. Von der Leinwand grüßen Rudi Völler, Jürgen Klinsmann und Per Mertesacker. Tenor: Bleib’ wie Du bist. Vielleicht ist das das größte Kompliment, das einer wie Podolski hören kann. Das größte Lob kommt von Bundestrainer Joachim Löw, der Podolski demonstrativ umarmt. 128 Spiele haben sie gemeinsam bestritten, kein Spieler absolvierte mehr Länderspiele unter Löw als Podolski. „Lukas wird nicht zu ersetzen sein, er ist einmalig, keiner besitzt mehr Empathie als Lukas, er ist einer der größten Spieler, die Deutschland jemals hervorgebracht hat“, sagt Löw. „Für mich ist dieser Abschied fast ein trauriger Moment.“ Gegen England wird der Kölner die Kapitänsbinde tragen. Podolski reagiert euphorisch: „Sensationell!“, entfährt es der kölschen Frohnatur. „Ich höre das auch zum ersten Mal. Mehr geht nicht, als im letzten Spiel als Kapitän aufzulaufen. Da kann man nur Danke sagen.“

Ein Höhepunkt war das Sommermärchen 2006 mit Freund Bastian Schweinsteiger, ...

Ein Höhepunkt war das Sommermärchen 2006 mit Freund Bastian Schweinsteiger, ...

Foto: A2902 Achim Scheidemann

Podolski ist vielleicht der letzte Straßenfußballer in der Nationalmannschaft. Er hat das immer betont. Und er hat es bewusst betont. Fußballfans besitzen ein feines Gespür dafür, ob ein Fußballmillionär einer von ihnen ist. Und bleibt. An Lukas Podolski haben sie nie einen Zweifel gelassen. Am Mittwoch (20.45 Uhr) absolviert er sein 130. Länderspiel.

... mit dem er 2014 Weltmeister wurde.

... mit dem er 2014 Weltmeister wurde.

Foto: Andreas Gebert

2003 hat er die Herzen der Kölner im Sturm erobert. Es ist, als wäre es gestern gewesen. Der Schweizer Marcel Koller war Trainer, Michael Meier Manager. Koller sah Podolski und wusste, das ist einer, das wird einer, der ist außergewöhnlich. War er auch, auch wenn seine Interviews noch ein wenig ungehobelt geklungen haben. „Ich komme aus sehr einfachen Verhältnissen. Ich werde die Nationalmannschaft vermissen, aber nur am Anfang. Die Dinge verschieben sich, ich habe eine Familie und zwei Kinder, da muss ich meine Karriere in der Nationalmannschaft nicht auf Biegen und Brechen fortsetzen.“

Die Blicke sprechen für sich. Bastian Schweinsteiger (l) und Lukas Podolski beim Länderspiel Deutschland - Ungarn am 04.06.2016 in Gelsenkirchen.

Die Blicke sprechen für sich. Bastian Schweinsteiger (l) und Lukas Podolski beim Länderspiel Deutschland - Ungarn am 04.06.2016 in Gelsenkirchen.

Foto: Arne Dedert

Es war eine prägende Phase seines Lebens, aber prägende Phasen gehen auch vorbei. Schon bei der EM in Frankreich ist ihm das durch den Kopf gegangen, acht Turniere hat Lukas Podolski gespielt. Eine rasante Karriere, geplant war sie nicht. „Da gab es keine wirkliche Strategie.“ Wie am MIttwoch bei vielen der jungen Kollegen. Wo alles der Karriere des Sprösslings untergeordnet wird. Auch da hat Podolski eine eigene Meinung. „Den Jungs wird heute alles abgenommen, für alles gibt es Spezialisten.“ Da können sich Typen wie Podolski gar nicht mehr entwickeln.

Podolski ohrfeigt im Spiel in Cardiff gegen Wales 2009 seinen Kapitän Michael Ballack.

Podolski ohrfeigt im Spiel in Cardiff gegen Wales 2009 seinen Kapitän Michael Ballack.

Foto: DB SWR

Keiner hat so gute Laune verbreitet wie er. Gespräche mit ihm sind Highlights. Er trieb den Menschen Tränen in die Augen. Computergesteuert war er nie. „Als ich angefangen habe, habe ich mich zuhause umgezogen, und Papa hat mich zum Training gefahren.“

Bastian Schweinsteiger und er galten 2004 als die „jungen Wilden“ des deutschen Fußballs, beim Sommermärchen 2006 standen sie im Mittelpunkt. Und haben sich trotzdem anders entwickelt. Freunde sind sie geblieben. „Wir waren Teil einer neuen Generation damals.“ Vielleicht waren die zwei viel mehr. Junge Kerle, nach denen sich der deutsche Fußball gesehnt hat. Vermutlich war es viel emotionaler als es heute ist. Und dabei ist es nur etwas mehr als ein Jahrzehnt, das vergangen ist.

Das Finale von Rio bezeichnet Podolski als „Krönung“, obwohl er gar nicht spielte. Das „Sommermärchen“ bleibt ewig in seinem Kopf. Diese Begeisterung im Lande, die geschaffen hat, was Generationen von Politikern nicht schafften: Ein neues, positives Deutschland-Bild in der Welt aufzubauen. Mehr geht nicht.

Die Beziehung zwischen ihm und dem Bundestrainer ist eine besondere. „Ich habe Joachim Löw nie arrogant erlebt“, sagt Podolski. Sauer war er eigentlich nie. Einzige Ausnahme war, als er in einigen Blättern gegen Ende seiner Karriere als „Pausen-Clown“ beschrieben wurde. Das hat ihn verletzt. „Ich brauche nur in die Gesichter der Fußballfans zu schauen, dann weiß ich, wie man über mich denkt.“ Lukas Podolski hat sich nie verstellt, er ist authentisch geblieben. Das ist ein Wert an sich. Und deshalb wird er fehlen.

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