Pechsteins großer Kampf um Ruf und Geld

Worum es der Eisschnellläuferin vor dem Zivilgericht geht.

München/Berlin. Mit der ersten Sperre ohne positiven Dopingbefund hat Claudia Pechstein (41) unfreiwillig Geschichte geschrieben — jetzt könnte sie für ein Beben in der gesamten Sportgerichtsbarkeit sorgen. Nach ihrer Niederlage vor dem internationalen Sportgerichtshof CAS kämpft die fünfmalige Eisschnelllauf-Olympiasiegerin vor einem Zivilgericht weiter. Der spektakuläre Schadenersatzprozess beginnt am Mittwoch vor dem Landgericht München I.

Claudia Pechstein wurde im Februar 2009 wegen auffälliger Blutwerte gesperrt. Zahlreiche medizinische Sachverständige sehen es inzwischen als erwiesen an, dass ihre Retikulozytenwerte in einer vom Vater ererbten Blutanomalie begründet liegen. „Die ISU hat alle Hinweise auf diesen genetischen Defekt einfach ignoriert, meine Karriere und meinen guten Ruf zerstört. Bis heute zeigt der Verband keine Reue“, beklagte sich Pechstein. Mehr als 550 Dopingkontrollen hat sie in ihrer Karriere erlebt, 120 davon nach ihrer Sperre — immer mit negativem Ergebnis. „Ich habe nie gedopt, nie ein verbotenes Medikament genommen, nie eine verbotene Methode angewandt, nie einen Dopingtest verpasst“, sagt sie.

Pechstein verspricht sich von der Klage gegen den Weltverband ISU und die Deutsche Eisschnelllauf-Gemeinschaft DESG neben einer Verbesserung ihres ramponierten Rufes Entschädigung. Für ihre Verluste durch Werbeausfälle, Gutachten und Gerichtskosten verlangt sie nach Angaben des Gerichts 3,5 Millionen Euro Schadensersatz und 400 000 Euro Schmerzensgeld.

Pechsteins Anwalt Thomas Summerer hat vor 17 Jahren Sprinterin Katrin Krabbe zu 1,5 Millionen Mark Entschädigung vom Leichtathletik-Weltverband IAAF verholfen. „Der Fall wird Sportgerichtsgeschichte schreiben“, sagt Summerer, dem in Dirk-Reiner Martens derselbe Anwalt wie im Krabbe-Prozess gegenübersteht. Martens vertritt nun die ISU.

Im Justizpalast von München wurde der größte Saal ausgewählt. Zunächst muss geklärt werden, ob das Zivilgericht zuständig ist. Pechsteins Partei hält den Sportgerichtshof CAS „für kein echtes Schiedsgericht, weil er hinter der deutschen Rechtsstaatlichkeit zurückbleibt“, wie Summerer sagt. Danach würde es zunächst zur Güteverhandlung kommen. Die Pechstein-Seite hat sich zu einem Vergleich bereiterklärt. Voraussetzung: Die ISU entschuldigt sich und rehabilitiert Pechstein, verbunden mit einem „gewissen Schadensersatz“. Kommt es zu Zeugenbefragungen, könnte sich der Prozess lange hinziehen. So wie im Fall Krabbe, als es ein Urteil erst nach sieben Jahren gab.

Jeder Sportler, der vom Sportgerichtshof für schuldig erklärt wird, könnte vor einem zivilen Gericht sein Recht erstreiten. Eine Entscheidung pro Pechstein könnte darüber hinaus die ISU oder DESG in den Ruin treiben.

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