Paul Breitner: Vom Verteidiger zum Außenminister

FC-Bayern-Markenbotschafter Paul Breitner plaudert in Vorträgen aus seinem reichlich kontrastreichen Leben.

München. Deutschlands erster kickender Revoluzzer ist jetzt Markenbotschafter. Unterwegs für „ein Fußball produzierendes mittelständisches Unternehmen mit 522 Millionen Euro Jahresumsatz, 500 Angestellten und 250 000 Mitgliedern“. Den FC Bayern München, den Paul Breitner als junger Spieler nach einer misslungenen Meisterfeier öffentlich schon mal einen „Scheißverein“ nannte. Das war einmal.

Heute, 31 Jahre nach dem Ende seiner von Titeln und Triumphen gepflasterten Spielerkarriere, bezeichnet sich der einstige Außenverteidiger „quasi als Außenminister“ des Clubs. Seines Clubs, der für ihn — ungeachtet seiner immer wieder ausdrücklich betonten Professionalität — Herzenssache ist. Die lange Mähne und der Bart — einst äußeres Markenzeichen wie die herunterhängenden Socken — sind gestutzt und ergraut. Der beneidenswert schlanke und körperlich topfit wirkende 63-Jährige trägt dunklen Anzug und Krawatte. Er tingelt mit einem Vortrag durchs Land, diesmal spricht er in Herborn. Um „aus dieser Beerdigung etwas zu machen“, wie der bekennende Ur-Bayer in Anspielung auf den tatsächlich ein wenig an Friedhof erinnernden Blumenschmuck auf der Bühne witzelt.

Paul Breitner: Vom Verteidiger zum Außenminister
Foto: dpa

„Die Rolle des Fußballs in unserer Gesellschaft — Sport und Wirtschaft, Parallelen auf dem Weg zum Erfolg“, heißt das Thema. Breitner spricht vor allem von seinem Weg zum Erfolg. Mal amüsant, mal mit erhobenem Zeigefinger, manchmal auch einfach nur abgelesen. Eine Mischung aus Komödienstadel, aktuellem Sportstudio, Plusminus und Wort zum Sonntag. Mit jeder Menge Selbstbeweihräucherung. Mia san ja schließlich mia. Und dieser Mann hat ja nun wirklich fast alles richtig gemacht. Er referiert über die ganz persönlichen zehn Schritte zum Erfolg. Am Beispiel des Paul Breitner. Und des FC Bayern München. Vorgetragen in 90 Minuten. Zur allgemeinen Nachahmung empfohlen.

Paul Breitner: Vom Verteidiger zum Außenminister
Foto: dpa

Der Welt- und Europameister, Europacupsieger, deutsche und spanische Champion plaudert in der Fragerunde genüsslich aus der Schule. Auch über seine „Sturm- und Drangzeit“. Mit langen Haaren, „gegen die die Frisur heute von Dante ein Dreck ist“. Als sich der Jung-Nationalspieler mit Mao-Bild und Peking-Rundschau fotografieren ließ. In einem Fragebogen der „Bild“-Zeitung 1972 als größten Wunsch „eine Niederlage der Amis in Vietnam“ nannte. Und als schlimmste Angst „eine Bundesregierung unter Franz Josef Strauß“. Am Mittwoch begleitet Paul Breitner die bayerische Regierung unter Ministerpräsident Horst Seehofer als Delegationsmitglied auf einem Staatsbesuch nach China.

Angesprochen auf die Trainer seiner Karriere, die ihn auch ein Jahr nach Braunschweig führte, gerät der Fußballer des Jahres 1981 ins Schwärmen. Vom damaligen Eintracht-Coach Branko Zebec. „Er war der Beste der Besten — auch noch mit drei Promille“, adelt der seit 43 Jahren verheiratete Vater dreier Kinder und stolze Opa den 1988 verstorbenen alkoholkranken Fußballlehrer aus Zagreb.

Als Breitner Guyla Lorant und den Präsidenten Wilhelm Neudecker abgeschossen hatte, bestimmte der Rückkehrer aus Braunschweig mit seinem gerade zum Manager gemachten Uli Hoeneß, wo´s langgeht. Was Paul Breitner heute in aller Bescheidenheit als „die Wiedergeburt des FC Bayern“, der seinerzeit nur Mittelmaß war und „so pleite wie Dortmund und Schalke zusammen nicht war“, bezeichnet: „Und heute sind wir der einzige finanziell gesunde Club im internationalen Spitzenfußball und gehören zu den fünf bekanntesten deutschen Marken in der ganzen Welt.“

Nur auf die Frage nach Hoeneß, seinem in Haft sitzenden Freund, wird Breitner wortkarg. „Ich weiß, dass es Uli richtig gutgeht. Er hat 20 Kilo abgenommen und seine Herzkrankheit behandeln lassen“, sagt Paul Breitner. Aber Kontakt zum langjährigen Weggefährten habe er derzeit nicht. Und zu dessen Steueraffäre habe er noch nie etwas gesagt. Da ist der Quasi-Außenminister ganz Diplomat.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort