Paul Biedermann: Neuanfang in der Badehose

Doppel-Weltmeister Paul Biedermann aus Halle will auch ohne den Polyurethan-Anzug seine Siegesserie fortsetzen.

Düsseldorf. Im Baden-Badener Kurhaus hat sich Paul Biedermann an den großen Moment erinnert. Bei den Weltmeisterschaften in Rom pulverisierte er den Weltrekord des 14-fachen Olympiasiegers Michael Phelps über 200 Meter Freistil, verbesserte ihn um unglaubliche 0,96 Sekunden und holte über 400 Meter sein zweites Gold. "Der Moment fühlt sich heute noch an wie ein Traum." Biedermann wird in Baden-Baden als Sportler des Jahres geehrt, für Deutschlands Sportjournalisten gab es 2009 keine Alternative. Paul Biedermann schwimmt auf der Welle des Erfolges. Olympiasiegerin und Weltmeisterin Britta Steffen nennt ihn "den Erfolgsgaranten der Nationalmannschaft". Biedermann ist erst 23 Jahre alt.

Nach dem Sieg über den Unschlagbaren ballt er nur kurz die Faust, dann umarmt er seinen Trainer Frank Embacher. Phelps muss in Rom 1,22 Sekunden und eine halbe Ewigkeit zurück seine erste Niederlage bei einem großen internationalen Rennen seit fünf Jahren hinnehmen. Der Titelverteidiger aus den USA reagiert verstört, keine Gratulation für den Konkurrenten.

Wortlos verlässt er das Wasser, erst auf dem Siegerpodest gratuliert Phelps kühl. "Ich bleibe dabei, dass Michael und ich nie gute Freunde werden, wir werden immer nur übereinander und nicht miteinander reden. Mit dem könnte ich selbst beim Bier in der Kneipe kein vernünftiges Gespräch führen", sagt Biedermann. Der Schwimmer aus Halle an der Saale ist nicht traurig darüber, dass das nächste große Duell mit Phelps erst wieder bei den Olympischen Spielen 2012 in London ansteht.

Vor Rom hat Biedermann über Medaillen nicht reden wollen, im Wasser ging dann in der Polyurethan-Haut seines Schwimmanzugs die Post ab. Über 400 Meter verblüffte der Europameister die Welt, als er im Vorlauf den Europarekord verbesserte und im Finale die sieben Jahre alte Weltbestmarke von Ian Thorpe in die Vergangenheit sandte. Um 6,6Sekunden steigerte er seine Bestzeit. Unglaublich.

Wochenlang hatte Biedermann im Vorfeld der Titelkämpfe unter dem Epstein-Barr-Virus gelitten, in Rom fehlten ihm 300 Trainingskilometer. Klar, dass nach einem Triumph über Michael Phelps Fragen gestellt werden. "Das muss ich mir gefallen lassen, aber ich bin absolut sauber." Doping ist die Schattenseite des Ruhmes. "Ich muss lernen, damit umzugehen. Die Zukunft wird zeigen, wie sich die Fragen verändern, wie aggressiv sie werden."

Sein Sport wird sich auf jeden Fall verändern. Mit dem Verbot der hautengen High-Tech-Anzüge entfällt auch Paul Biedermanns Erfolgsgarantie. "Schwimmer, die mehr Muskelmasse aufbringen, haben von dem Anzug profitiert. In Zukunft muss ich mindestens fünf bis sechs Kilo abnehmen." Es wird schwer werden. Paul Biedermann weiß das. Aber seine Rekorde werden womöglich für die Ewigkeit sein.

"Ich freue mich über die neuen Anzüge, weil ich nicht mehr eine Stunde brauche, um in dieses Ding reinzukommen. In Zukunft steht nicht mehr der Anzug, sondern das Training im Vordergrund." Nun beginnt in Badehosen alles wieder von vorne. Schon bei den Europameisterschaften in Budapest im August wird die Welt wissen, wie Deutschlands Sportler des Jahres mit den neuen Bedingungen klarkommt.

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