Nationalmannschaft: Kuranyis Welt geht wieder unter

Bundestrainer Löw verzichtet auf den Angreifer bei der WM 2010 – wie Klinsmann 2006.

Düsseldorf. Schließlich hat Joachim Löw doch noch das seit Wochen von der Öffentlichkeit geforderte Gespräch mit Kevin Kuranyi gesucht. Am Telefon. Aber die Nachricht passte weder Kuranyi noch der Mehrzahl der deutschen Fußball-Fans: Der Schalker Angreifer wird nicht im Aufgebot der deutschen Fußball-nationalmannschaft für die Fußball-Weltmeisterschaft in Südafrika stehen.

Nicht im vorläufigen, das Löw am Donnerstag in Stuttgart mit 26 Namen verkünden wird. Und ganz sicher auch nicht im endgültigen Aufgebot, das der Bundestrainer am 1. Juni dem Weltverband Fifa meldet. Es ist kein Platz für den treffsicheren Stürmer. Findet Löw.

"Der disziplinarische Vorfall im Oktober 2008 hat für mich letztlich keine Rolle mehr gespielt", erklärte der Bundestrainer, der 2008 hatte verlauten lassen, unter seiner Regie werde Kuranyi nicht mehr für Deutschland spielen.

Damals hatte sich der frustrierte Ersatzspieler in Dortmund beim Länderspiel gegen Russland unerlaubt von der Mannschaft entfernt. Offenbar ungeachtet dieser Ereignisse sei Löw jetzt mit seinem Trainerteam zu dem Ergebnis gekommen, "dass wir taktisch und personell andere Vorstellungen für die Zusammenstellung des WM-Aufgebots haben". Dies habe er Kuranyi, "der eine starke Saison gespielt hat und den ich für einen charakterlich einwandfreien Profi halte, in aller Offenheit erörtert".

Worte, die für Kuranyi wie Hohn klingen müssen, weil unter dem Strich die zweite verpasste WM-Teilnahme alles überlagert. 2006 war er von Jürgen Klinsmann und Löw bei der Nominierung wegen unprofessioneller Einstellung ausgebootet worden, stattdessen griffen die Verantwortlichen auf Mike Hanke zurück, der für die ersten beiden WM-Spiele gesperrt war.

Diesmal halfen Kuranyi weder 18 Bundesliga-Tore noch zahlreich prominenter Zuspruch. "Wie jeder Fußballer habe ich schon als kleines Kind davon geträumt, an einer Weltmeisterschaft teilnehmen zu dürfen. Dieser Traum ist jetzt bereits zum zweiten Mal geplatzt", sagte Kuranyi gestern und beschrieb seinen Seelenzustand als "sehr traurig".

Dem 52-maligen Nationalspieler (19 Tore) wird die theoretische Begnadigung von Löw kein Trost sein. "Es wäre für uns kein Problem gewesen, ihm trotzdem in der Nationalmannschaft eine neue Chance zu geben", versicherte der Bundestrainer. Doch ließ sich Kuranyi auch gestern nicht zu einem einzigen bösen Wort hinreißen.

"Leider hat das nicht gereicht. Aber das ist eine Entscheidung des Bundestrainer, die ich akzeptiere und respektiere". Das Ende einer überaus hysterischen Diskussion scheint vermeintlich sacht auszufallen. Doch die Nachboten werden kommen, und sie werden Löw diese Entscheidung vorwerfen, spätestens, wenn der Erfolg bei der WM in Südafrika ausbleibt.

Dass Kuranyi in den letzten vier Spielen nicht mehr getroffen und wenig überzeugend gespielt hat, wird das Urteil über die Entscheidung des Bundestrainers abmildern.

Gleichzeitig ist diese Entscheidung nahezu die Gewähr, dass Löw den Leverkusener Stürmer Stefan Kießling nominieren wird - neben den gesetzten Miroslav Klose, Mario Gomez und wohl auch dem Stuttgarter Cacau. Für Kuranyi wird es derweil bei zwei EM-Teilnahmen bleiben: 2004 in Portugal und 2008 in Österreich und der Schweiz war er dabei. In Südafrika ist er es nicht.

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