Nationalelf: Die neue Gelassenheit

Joachim Löw verzichtet im letzten Test vor der EM-Qualifikation auf fast alle Stammspieler. Weil er sich stark fühlt.

Düsseldorf. Die einzige Sicherheit, der sich ein deutscher Fußball-Bundestrainer gewiss sein kann, ist die, niemals frei von Kritik zu sein. Joachim Löw darf das in diesen Tagen wieder erfahren, dabei hatte der 50-Jährige Badener in Südafrika nahezu alles dafür getan, sich eine gewisse Schonfrist zu erarbeiten. Nichts wurde es.

Seit das erste Länderspiel nach der WM gegen Dänemark am Mittwoch (20.30 Uhr/ARD) in Kopenhagen in den Blickpunkt gerückt ist, diskutiert die Nation über Sinn und Unsinn dieses B-Promi-Treffens. Und Löw muss erkennen, dass die Nation zur Bewertung "Unsinn" tendiert.

Ob es den Bundestrainer stören wird? Man darf nicht davon ausgehen, längst hat Löw bewiesen, dass ihm eine gewisse Sturheit zu eigen ist, öffentliche Schelte an sich abprallen zu lassen - und stattdessen hinter seinen ureigenen Entscheidungen zu stehen. Das hat er von Jürgen Klinsmann gelernt und es bis zur Perfektion entwickelt.

Und doch offenbart die Kaderzusammenstellung der deutschen Nationalmannschaft für das Länderspiel in Kopenhagen eine verloren geglaubte Seite des Bundestrainers. Eben die, sich auch auf die Erstliga-Vereine zubewegen zu können, wenn es ihm nicht zu ungelegen kommt. Ausgleich statt Konfrontation. Der Bundestrainer hat es unterlassen, das Spiel gegen Dänemark zum Dogma zu erheben, hat darauf verzichtet, die WM-Stars zu nominieren und mit ihnen die letztmögliche Vorbereitung auf die am 3. September in Brüssel gegen Belgien beginnende EM-Qualifikation zu nutzen.

Es wird seinem Ruf in der Branche alles andere als schaden. Vielleicht agiert nur ein Bundestrainer der Stärke derart. Löw zumindest ist einer, wie es seit Franz Beckenbauer keinen mehr zuvor gegeben hat.

Seit der WM hat Löw mit zurückgekehrtem Augenmaß die Felder beschritten, die ihm am Herzen lagen. Sein Vertrag ist bis zur EM 2012 in Polen und der Ukraine verlängert, seine Bezüge - wenn auch in bescheidenerem Maße als einst angestrebt - angehoben.

Löw hat sein komplettes Trainer-Team samt Manager Oliver Bierhoff halten können, selbst sein Scout Urs Siegenthaler entschied sich für den DFB - und gegen den HSV, wo er als Sportdirektor vorgesehen war.

Und der Einfluss des Bundestrainers reichte selbst, den bereits gekündigten Vertrag des DFB-Mediendirektors Harald Stenger zu verlängern. Der Vertraute des Nationaltrainers wird nun bis zur EM 2012 als Sprecher der Nationalmannschaft agieren.

Kein Wunder, dass sich manch Offizieller im DFB hinter vorgehaltener Hand Sorgen über den Staat Nationalelf im Staate DFB mokierte - aber niemand im Gegensatz zur nationalen Stimmung gegen Löws Pläne die Stimme erheben wollte.

Die Entwicklung seiner Mannschaft, die am Mittwoch freilich nicht anwesend sein wird, steht nun für den Trainer im Vordergrund. Insofern ist der Test ein lockerer Aufgalopp. Mehr nicht.

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