F1-Fahrer greifen zum letzten Mittel im Reifenstreit

Nürburgring (dpa) - Die Formel-1-Fahrer haben mit ihrer Boykottdrohung schon zum letzten Mittel gegriffen, dabei dürfte der Reifenzoff auch nach dem Deutschland-Rennen weitergehen. Denn zum übernächsten Grand Prix liefert Exklusiv-Partner Pirelli komplett neue Reifen.

„Es ist sehr wahrscheinlich, dass sie Auswirkung auf die Leistung in der Qualifikation und im Rennen haben werden“, prophezeite Mercedes-Pilot Nico Rosberg. Die ganze Sache könnte ein bisschen durcheinanderwirbelt werden, meinte der Sieger von zwei der vergangenen drei Rennen.

Die Autos wurden mühselig auf die aktuellen Reifen abgestimmt, beim Großen Preis von Ungarn Ende des Monats sollen aber neue Walzen zum Einsatz kommen. Nach der skandalösen Serie von Reifenplatzern am vergangenen Sonntag in Silverstone will Pirelli eine Mixtur aus dem aktuellen und dem Vorjahresreifen liefern. Das Fahrverhalten soll bei den Testfahrten vom 17. bis 19. Juli in Silverstone auf die Probe gestellt werden. Mercedes, die Mannschaft der Stunde mit zwei Siegen durch Rosberg in den vergangenen drei Rennen, wird nach seiner Verbannung wegen des Privattests für Pirelli nicht daran teilnehmen.

Bevor es im meist brütend heißen Budapest zur Sache gehen wird, halten aber alle erstmal in der rauen Eifel die Luft an. „Wie viel besser und wie anders sie sein werden, ist schwer zu beurteilen“, meinte Vettel vor den ersten Fahrten mit den überarbeiteten Pneus, bei denen statt eines schnell und extrem aufheizenden Stahlbandes eine Kohlefaserkonstruktion verarbeitet wurde. Vettel stellte aber auch klar: „Das vergangene Rennen war eines, das wir nicht wollen.“

Das unterstrich die Vereinigung der Fahrer (GPDA) dann auch mit einer unmissverständlichen Drohung. Sollten sich die Ereignisse in England beim Deutschland-Rennen wiederholen, wollen sie streiken. Denn die vermeidbaren Probleme mit den Reifen würden „das Leben der Fahrer, Streckenposten und Fans gefährden“.

Verständnis dafür äußerte Formel-1-Chef Bernie Ecclestone. „Sie sagen zu Recht, dass es ihr Leben ist, das sie bei den Rennen riskieren“, betonte der Brite in einem Interview der Zeitung „Die Welt“ (Samstag): „Es ist nicht das Genick der Reifenfirma, der FIA oder das von Bernie Ecclestone, das sie aufs Spiel setzen.“

Die Fahrer stecken dennoch in der Zwickmühle. Man wolle keine Politik betreiben, sondern sei ausschließlich um die Sicherheit besorgt, betonte der GPDA-Vorsitzende Pedro de la Rosa, Testfahrer für Ferrari. „Wir müssen Rennfahren. Für unser Team, für unsere Sponsoren, für die Fans“, hatte Scuderia-Stammpilot Fernando Alonso zudem in dieser Woche bereits gesagt.

Bei allem Verständnis machte letztlich auch Ecclestone deutlich, welche Konsequenzen ein Verzicht haben könnte. „Wenn die Fahrer das Rennen boykottieren, droht ihnen der Entzug der Superlizenz“, sagte der Brite.

Um solche Szenarien zu vermeiden, wie es sie bei einem Boykott 1982 in Südafrika oder nach dem Skandalrennen in den USA vor acht Jahren mit dem Startverzicht der Michelin-Teams gegeben hatte, erteilte der Automobilweltverband den Teams im Umgang mit den überarbeiteten Reifen beim Deutschland-Rennen klare Vorgaben. Die FIA gab am Freitag noch vor dem ersten Freien Training die zulässigen Luftdruckwerte bekannt, legte den maximalen Winkel für den sogenannten Radsturz fest und untersagte den Tausch von linken und rechten Hinterrädern.

Verstöße gegen diese Faktoren hatten nach eingehender Fehleranalyse durch Pirelli neben den „aggressiven“ Randsteinen zu der Serie von gefährlichen Reifenplatzern in Silverstone geführt. Bei den ersten drei Trainingsstunden auf den überarbeiteten Reifen und unter detaillierter Gebrauchsanweisung kam es auf dem Nürburgring am Freitag zu keinen Reifenschäden mehr.

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