Steffi schlaflos in Berlin: Riesenmegageile Party

Berlin (dpa) - Bundeskanzlerin Angela Merkel gratulierte Steffi Nerius höchstpersönlich „im Namen der 80 Millionen Menschen in Deutschland“, doch zwei Türsteher einer Berliner Szene-Disko gehörten wohl nicht dazu.

Die Aufpasser ließen die erste deutsche Speerwurf- Weltmeisterin und ihren 15-köpfigen Begleittross auf ihrer nächtlichen Feiertour nicht passieren. Ins Bett ging die 37-jährige Leverkusenerin trotzdem nicht. „Ich komme gerade von einer Party und jetzt geht's gleich weiter mit der Party“, sagte die 37-jährige Leverkusenerin am Morgen nach ihrem unerwarteten Gold-Coup zum Abschluss ihrer Karriere.

„Ich bin wahrscheinlich noch im Schockzustand, sonst würde ich hier einschlafen“, meinte sie bei der Pressekonferenz des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV), rieb sich die dicken, aber immer noch strahlenden Augen und bahnte sich dann den Weg durch die Reporter und Kamers zu Getränken und Häppchen: „Gefrühstückt habe ich auch noch nicht.“ Prominenteste Gratulantin der Sensationssiegerin war die Kanzlerin im WM-Club des Verbandes kurz nach 23 Uhr. Merkel hatte während des Wettkampfs im Hubschrauber gesessen und erzählte, dass eine SMS auf ihrem Handy aufgeleuchtet habe, als sie es nach der Landung wieder eingeschaltet hatte: „Steffi Nerius Gold.“ „Ein toller Erfolg“, meinte Merkel.

Später war Steffi Nerius unter anderem mit Siebenkampf-Vize-Weltmeisterin Jennifer Oeser in den Hackeschen Höfen unterwegs. Von ihrer Zimmerkollegin und Freundin Franka Dietzsch hatte sie sich telefonisch abgemeldet: „Ich komme nicht vor sieben Uhr zurück, damit du vor deiner Quali in Ruhe schlafen kannst.“ Die dreifache Diskus- Weltmeisterin stieß erstmal einen Schrei aus, als die Heldin des Abends anrief: „Ich hab's gewusst! Ich hab's gewusst! Ich hab's gewusst!“

Wirklich? So richtig auf dem Zettel hatten Steffi Nerius nur wenige. Vor einer Woche saß sie noch heulend in ihrem Zimmer in Kienbaum - Hexenschuss. Doch mit ihren 67,30 Metern aus dem ersten Durchgang schockte sie die Konkurrenz: Weder Weltrekordlerin und Olympiasiegerin Barbora Spotakova aus Tschechien noch die Russin Maria Abakumova konnten kontern und mussten sich mit Silber und Bronze begnügen.

Ganz bitter endete der Abend für die eigentliche deutsche Medaillenhoffnung Christina Obergföll: Doch die Fünftplatzierte stellte sich im WM-Club tapfer neben Steffi Nerius, gratulierte und meinte: „Es gibt ja was zu feiern heute Abend.“ Am nächsten Tag war sie jedoch nicht in der Verfassung, sich den Medienvertretern zu stellen und ließ sich entschuldigen. Linda Stahl, die Trainingspartnerin der Goldmedaillen-Gewinnerin, freute sich hingegen über Rang sechs: „Wenn wir im Biathlon oder Skispringen wären, hätten wir nicht nur die Einzel-, sondern auch die Mannschaftswertung gewonnen.“

16 Jahre nach ihrer ersten WM 1993 in Stuttgart feierte Steffi Nerius ihren größten Sieg, und als Spotakovas Speer beim letzten Versuch schnell wieder herunterkam, da ballte die Europameisterin die Fäuste, schlug die Hände vors Gesicht und heulte drauflos. „Einfach gigantisch, einfach nur geil, Wahnsinn! Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll.“ Bis zu 6,72 Millionen Fans erlebten es im ZDF mit, knapp 30 000 im Olympiastadion.

Nach dem World Athletics Final am 12./13. September in Thessaloniki wird Steffi Nerius erstmal von der Bildfläche verschwinden. Davor startet sie noch am 26. August in Sondershausen/Thüringen und 6. September in Elstal bei Berlin. „Danach gibt's auf jeden Fall eine riesenmegageile Party“, versprach die Olympia-Zweite von 2004. Vom 1. Oktober an konzentriert sie sich auf ihre Vollzeitstelle in der Behindertensportabteilung von Bayer Leverkusen. „Niemand kann mich umstimmen“, sagte Steffi Nerius auf die Frage, ob sie nun nicht doch weitermachen wolle. Bevor sie zum nächsten PR-Termin geschleppt wurde, schaute sie sich noch einmal um: „Was ist heute überhaupt für ein Wochentag?“

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