Leichtathletik-WM Hochspringer Mateusz Przybylko: „Da fühlt man sich als Athlet verarscht“

Deutschlands bester Hochspringer Mateusz Przybylko spricht im Interview über Doping in Russland, Polen und Vergleiche zum Fußball.

Leichtathletik-WM: Hochspringer Mateusz Przybylko: „Da fühlt man sich als Athlet verarscht“
Foto: dpa

Düsseldorf. Mit 2,35 Meter ist Mateusz Przybylko derzeit Deutschlands bester Hochspringer. Sauer wird der deutsche Meister beim Thema Doping: „Manchmal habe ich keinen Bock aufs Training, weil ich Schmerzen habe. Ich nehme keine Substanzen, sondern gehe zur Physiotherapie.“

Herr Przybylko, wie viele Leute sprechen Ihren Namen richtig aus?

Mateusz Przybylko: Oh, nicht so viele. Daher sollen alle Matze zu mir sagen, das ist einfacher. Wird mein Bruder auf seinen Nachnamen angesprochen, sagt er immer: Wie der Lehrer zu den Schülern macht, wenn sie zu laut sind: psch! Bülko.

Fühlen Sie sich als Deutscher?

Przybylko: Absolut. Nur wenn ich mich mit meinen Eltern unterhalte, dann nicht. Beim Sprechen fehlen mir manchmal die Vokabeln, dann sage ich es auf Deutsch.

Als Jugendlicher ist die Entscheidung gefallen für Deutschland zu starten.

Przybylko: Nachdem ich die Norm für die U 18-WM gesprungen bin, haben wir in Polen angefragt, aber der Verband hat sich nie gemeldet. Dann haben mich meine Eltern eingebürgert, und der DLV hat sich sofort gemeldet.

Ihr Bruder Kacper, Zweitliga-Fußballer bei Kaiserslautern, hat die polnischen Auswahlteams durchlaufen.

Przybylko: Fußball ist etwas anderes. Da fließt das Geld, das ist schade und traurig. Zwischen Fußball und Leichtathletik liegen Welten. Wenn man bei uns keine Leistung zeigt, kommt kein Geld. In der 2. Liga kennt man dich nicht und du bekommst trotzdem viel Geld.

Sorgt das auch mal für Diskussionen zwischen den Brüdern?

Przybylko: Gar nicht, aber ich habe Kacper mal mit ins Training genommen und ihm Gewichte aufgelegt. Er fand das so schwierig. Das waren 120 Kilo. Als ich lachte, fragte er warum? Da habe ich ihm gesagt, das sind die Frauengewichte. Ich mache Komplex-Kniebeugen mit 250 Kilo. Er findet es schade, dass wir so viel machen müssen. Er gibt Autogrammstunden und so. Das kann ich auch, aber es interessiert niemanden. Ich bin kein Usain Bolt.

Also ist es doch ungerecht?

Przybylko: Ich bin froh, dass es bei Kacper funktioniert hat, denn es gibt so viele Fußballer. Du musst im richtigen Moment gesehen werden. Mein Bruder hatte damals in Bielefeld in der Jugend Glück. Ihn hat ein Scout von Köln gesehen und sie haben ihn unter Vertrag genommen. Bei uns Leichtathleten geht das so: Springst du 2,35 Meter, kannst du überall mitmachen, springst du 2,20 Meter, kennt dich kein Schwein.

Sie sind derzeit die Nummer zwei in der Welt, da kommt die WM in London ja gerade recht.

Przybylko: Genau. Wenn es da funktioniert, vielleicht auch mit einer Medaille, wäre das was. Die Farbe ist mir egal. Mein Ziel ist aber zunächst das Finale.

Nervt Sie die Dominanz des Fußballs in den Medien?

Przybylko: Das ärgert mich schon, es läuft im Fußball ja wirklich jedes Spiel hoch und runter. Bei uns zeigen sie schon bei den technischen Disziplinen immer nur ein paar Szenen, wenn es um die Medaillen geht. Aber in der Leichtathletik fehlt das Geld.

Ein anderes Problem ist Doping. Bei der WM sind die Russen als Folge des Staatsdopings gesperrt, auch bei den Meetings wie in Eberstadt fehlen sie.

Przybylko: Wenn ich bei Meetings weiß, da sind Russen dabei, die gedopt haben, sage ich ab. Das mache ich nicht mit. Es wird so viel vertuscht, das ist nicht meine Welt. Ich möchte Ehrlichkeit zurückbekommen, keine Hinterhältigkeit. Da bin ich sauer — und froh zu zeigen, man auch ohne Mittel hoch springen.

Werden Sie oft kontrolliert?

Przybylko: Erst nach meinem ersten Diamond-League-Meeting in Rabat hatte ich eine Dopingkontrolle. Für mich ist das kein Thema, nur hatte ich Zeitdruck, dass ich meinen Flieger noch kriege. Zu Hause werde ich ständig kontrolliert. Eine Woche nach meinen 2,35 Meter standen sie morgens um Sechs vor der Tür. Meine Kontrollen dürfen auch für andere Substanzen verwendet werden, man könnte mich täglich kontrollieren. Aber ich möchte Fairplay. Es muss für alle gelten. Über die Russen weiß man Bescheid, aber ich weiß nicht, wie es in China ist. Die haben auch komische Methoden, von denen ich noch nie etwas gehört habe.

Sind Sie nach Ihrem Leistungssprung auf 2,35 Meter auch beäugt worden?

Przybylko: Wenn etwas wäre, wäre das schon rausgekommen. Es wäre eine Überlegung wert, nach einem Wettkampf ohne Wissen vorab einfach alle zu kontrollieren.

Und Doping im Fußball?

Przybylko: Im Fußball wird kaum kontrolliert. Und zwei Wochen nach einer Verletzung stehen sie wieder auf dem Platz. Ich weiß nicht, wie das funktioniert.

2016 haben Sie zu viel trainiert.

Przybylko: Daher habe ich nur zwei Wettkämpfe bestritten. Bei jedem Sprung wirken Kräfte von 800 bis 1000 Kilo — das müssen Sprunggelenk, Sehnen und Muskulatur erst mal mitmachen und aushalten. Manchmal habe ich keinen Bock aufs Training, weil ich Schmerzen habe. Aber ich nehme dann keine Substanzen, sondern gehe zur Physio, mache Stabilisation und Eisbäder. Wenn ich merke es geht nicht, pausiere ich zwei, drei Tage. Was Whistleblowerin über Doping in Russland Julia Stepanowa ausgepackt hat, hat mich erschreckt. Da fühlt man sich als Athlet verarscht.

Mit den 2,35 Meter ist bei Ihnen endlich der Knoten geplatzt. Warum?

Przybylko: Ich habe nicht an die Norm gedacht, war vom Kopf her frei. Ich bin lockerer geworden, weil es mir Spaß macht. Da ist kein Druck mehr. Als ich bei einem Militärwettkampf auf der Airbase in Rammstein 2,30 Meter gesprungen bin, war keiner mehr dabei. Da habe ich mir gesagt, ich ziehe das durch. Seitdem funktioniert‘s. Ich gehe ohne Erwartungen rein, mach‘ mich nicht mehr so klein. Ich kann es.

Und wie hoch geht es noch?

Przybylko: Ziel ist der deutsche Rekord, ich will 2,38 Meter springen.

Sie tragen ein Tattoo mit „mi familia“, was hat es damit auf sich?

Przybylko: Ich habe mir das lang überlegt, es sollte etwas mit Familie zu tun haben. Kacper und Jakub, meine jüngeren Zwillingsbrüder, haben das gleiche. Es war am 11. 11. 2012. Kacper wollte zunächst gar keines, jetzt hat er die meisten. Er kam vom Tätowierer zurück und meinte: „Ich habe die Schablone, jetzt können wir es alle machen.“

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