Ende der Weitsprung-Herrschaft: Camara schlägt Star-Duo

Ulm (dpa) - Die Hierarchie im deutschen Männer-Weitsprung kommt ins Wanken. Der aktuelle Europameister Sebastian Bayer und der ehemalige EM-Gewinner Christian Reif wurden bei den deutschen Meisterschaften in Ulm von Alyn Camara in einem spannenden Wettstreit überflügelt.

Der Weitsprung-Wettbewerb lief noch, da hatte Carolin Nytra ihrer Empörung via Twitter schon Luft gemacht. „Jetzt reichts“, schimpfte die Freundin von Bayer empört über das Verhalten von dessen Dauerrivalen Reif. „Schon mal was von sportlicher Fairness gehört. Warum bleibst Du nicht gleich stehen.“ Während die Hürdenläuferin nach verpasster WM-Norm ihres Lebensgefährten bei den deutschen Meisterschaften in Ulm unlautere Tricksereien vermutete, nahm Bayer den mit der Weitsprung-Anlage hadernden Konkurrenten in Schutz: „Um richtig weit zu springen, hätte man die Anlage drehen müssen.“

Zu kurzer Anlauf, zu weiche Bahn! Überraschungssieger Alyn Camara kümmerte dies als lachender Dritter nicht. Mit 8,15 Meter konterte der Kommissar-Anwärter aus Leverkusen den 8,04-Meter-Satz von Titelverteidiger Bayer im letzten Versuch und beendete die seit 2006 andauernde Siegesserie des Duos Bayer/Reif.

„Bei dieser Konkurrenz ist der Sieg nicht selbstverständlich, deshalb genieße ich es“, freute sich Camara, der vor Ulm mit 8,29 Meter das Ticket für die Weltmeisterschaften vom 10. bis 18. August in Moskau schon in der Tasche hatte. Mit seinem Erfolg glaubt er nun, grundsätzlich an der Vorherrschaft von Bayer/Reif gerüttelt zu haben. „Das sorgt für eine neue Situation im Weitsprung“, so Camara.

Mit dieser Behauptung prallte er auf das Ego von Christian Reif (LC Rehlingen), den auch der erfolgreiche Protest wegen der unzulänglichen Sprunganlage und ein wiederholter letzter Versuch nicht über 7,90 Meter und Platz drei hinausbrachte. „Der Wettkampf hat weder an meinem Selbstbewusstsein gerüttelt, noch es aufpoliert“, meinte der Europameister von 2010, der die WM-Norm mit 8,27 Meter zuvor schon erbracht hatte. „Ich bin definitiv unter Wert geschlagen worden.“ Dies habe auch, aber nicht zu 100 Prozent an den Bedingungen gelegen. „Was Alyn gemacht hat, ist aller Ehren wert. Das ist ganz große Klasse“, anerkannte Reif nach abgeklungener Aufregung.

Gelassenheit demonstrierte Bayer trotz der um 21 Zentimeter verfehlten WM-Norm, die er nun in den kommenden zwei Wochen erfüllen muss, um nach Moskau reisen zu dürfen. „Natürlich hätte ich gerne gewonnen. Aber ich bin erstmal froh, dass das Knie gehalten hat“, sagte der 27-jährige Olympia-Fünfte aus Hamburg, den in dieser Saison lange eine Entzündung gehandicapt hatte. „Vor zwei Wochen sah es nicht so gut aus.“

Bis zum WM-Meldeschluss am 29. Juli will Bayer aber nicht in Aktionismus und Hektik verfallen. „Ich werde mir für die WM-Norm kein Bein ausreißen und auf Biegen und Brechen versuchen, eine Norm zu springen“, sagte er. Zwei, drei Wettkämpfe hatte er im Juli geplant. Dabei soll es bleiben. „Denn ich will mich nicht für die Norm kaputtmachen und so platt sein, dass ich in Moskau nur 7,80 Meter springen könnte“, argumentiert Bayer.

Sollte er nicht mehr auf 8,25 Meter fliegen, könnte der Deutsche Leichtathletik-Verband (DLV) die Tür zur WM noch öffnen. „Theoretisch habe ich die Norm vom letzten Jahr, aber das ist Verbandssache“, sagte er. „Ich bereite mich so vor, als würde ich eine WM angreifen.“

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