28. Weltrekord ihrer Karriere: Issinbajewa überrascht

Stockholm (dpa) - Ihr Trainer bekam schon fast keine Luft mehr, so lang und fest drückte Jelena Issinbajewa ihn an sich. Die Königin des Stabhochsprungs hatte in Stockholm gerade den 28. Weltrekord ihrer bewegten Karriere aufgestellt, aber keine andere der 27 Bestmarken zuvor war so überraschend.

Issinbajewas Sprung über 5,01 Meter am Donnerstagabend war die spektakuläre Antwort auf zweieinhalb Jahre voller sportlicher Rückschläge, ungewohnter Selbstzweifel und einer mehrmonatigen Wettkampfpause. „Nach den 4,92 Metern dachte ich mir: Dies ist meine Nacht. Und mein Körper antwortete mir: Yes, we can! Wir schaffen das zusammen“, sagte die Russin in einem Mix aus emotionalem Rausch und beinahe schon wieder unerschütterlichem Selbstvertrauen. Rechtzeitig zum Beginn des Olympia-Jahres hat sich die Goldmedaillengewinnerin von Athen (2004) und Peking (2008) also wieder zurückgemeldet.

Einen großen Anteil daran hat Jewgeni Trofimow, ihr neuer und alter Coach. Im März 2011 kehrte die 29-Jährige zu dem Mann zurück, der sie schon von ihrem 15. Lebensjahr an neun Jahre lang trainiert hatte. Und während viele andere in der Leichtathletik schon nicht mehr richtig zu glauben wagten an die zweimalige Olympiasiegerin, zweifache Weltmeisterin und Europameisterin von 2006, sagte Trofimow bereits im vergangenen Sommer mit stoischer Gelassenheit: „Es wird einen neuen Rekord geben. Es ist nur eine Frage der Zeit.“

15 Weltrekorde im Freien und 13 in der Halle hat Issinbajewa jetzt aufgestellt. Sie war die erste und ist immer noch die einzige Frau, die jemals die magische Marke von 5,00 Metern übersprungen hat. „Mein Coach hat mir geholfen, zu realisieren, dass nur dies mein Niveau ist und nichts anderes“, sagte die Ausnahme-Athletin in Stockholm.

Über einen langen Zeitraum hinweg hatte Issinbajewa allerdings selbst nicht mehr daran geglaubt. Sah ihr sensationelles Ausscheiden bei der WM 2009 in Berlin (drei Fehlversuche) zunächst noch wie ein Ausrutscher aus, verlor die Russin anschließend völlig ihre Form und Motivation. Platz vier bei der Hallen-WM 2010, eine elfmonatige Pause in der Zeit danach und nur Platz sechs bei der WM im vergangenen Jahr in Daegu: Issinbajewa war lange Zeit nicht mehr wiederzuerkennen.

„Jelena ist in einem schlechten Zustand zu mir zurückgekommen“, erzählte Trofimow. Aber das ist jetzt vorbei. „Ich habe keine Verletzung mehr, keine Schmerzen mehr, mein Körper ist komplett gesund“, sagte sie. „Das hier war mein wirkliches Comeback.“

Mit der Titel- und Rekordjagd will Issinbajewa jetzt genauso weitermachen wie vor ihrer Krise. Die Hallen-Weltmeisterschaften vom 9. bis zum 11. März in Istanbul sind dabei aber nur die nächste Station und nicht das große Ziel. Das bleibt im Sommer in London der dritte Olympiasieg in Serie und vor allem ihr alter Traum, einen Weltrekord mehr aufzustellen als ihr Idol Sergej Bubka (35).

Acht Abende wie der in Stockholm fehlen ihr noch dazu, und zumindest was ihr Selbstbewusstsein angeht, war Issinbajewa in der Globe Arena schon wieder ganz die Alte. „Ich denke, die Frage können sie sich selbst beantworten“, meinte sie, nachdem ein Reporter von ihr wissen wollte, ob es eine Konkurrentin gebe, die sie schlagen könne in diesem Jahr. Issinbajewa brauchte dabei nur zur Anzeigetafel herüber zu schauen. Die Zweitplatzierte Holly Bleasdale aus Großbritannien hatte 29 Zentimeter weniger übersprungen als sie.

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