Kritik an Niersbach und de Maizière aus Sportausschuss

Berlin (dpa) - In der Affäre um die Fußball-WM 2006 stößt auch das Vorgehen von der Bundesregierung und Innenminister Thomas de Maizière (CDU) auf Kritik.

Kritik an Niersbach und de Maizière aus Sportausschuss
Foto: dpa

„Der zuständige Minister hat dazu bisher keine Silbe verloren“, sagte Özcan Mutlu als sportpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. „Ich wundere mich über die Schweigsamkeit von Herrn de Maizière.“ Auch der sportpolitische Sprecher der Linken, André Hahn, beklagte, dass sich der Ressortchef bislang nicht dazu geäußert habe. „Wir haben einen Minister, der permanent abtaucht - auch in dieser Krise“, sagte er der dpa. Aber auch den DFB und dessen Präsidenten Wolfgang Niersbach griffen die Oppositionspolitiker scharf an.

Niersbach steht wegen einer ominösen Millionen-Zahlung vor der Fußball-WM 2006 schwer in der Kritik. Es steht der Verdacht im Raum, dass die Entscheidung für Deutschland als WM-Ausrichter durch einen Stimmenkauf zustande kam.

„Ich glaube, dass Herr Niersbach das nicht durchstehen kann als DFB-Präsident“, sagte Hahn. „Es wird am Ende nicht ohne Konsequenzen bleiben.“ Die bisherigen Erklärungen des DFB seien unzureichend und unglaubwürdig gewesen. „Das Herumgeier von Herrn Niersbach kann nicht weitergehen.“ Die Bundesregierung könnte hier Druck machen und den DFB zur Aufklärung drängen, betonte Hahn. Schließlich sei rund um die WM in nicht unerheblichem Maße öffentliches Geld geflossen. Doch die Regierung halte sich zurück.

Mutlu mahnte ebenfalls: „Wir wollen auch die Bundesregierung fragen, was sie über die Vorgänge weiß und was sie bislang unternommen hat.“ Nötig sei eine lückenlose Aufklärung sowohl vom DFB als auch von der Regierung. Das Parlament habe das Recht und die Pflicht, den Vorgängen nachzugehen. Schließlich habe der Staat viel Geld für die WM in die Hand genommen.

Die Bundesregierung - allen voran das Innenministerium, das für den Sport zuständig ist - war damals in die Vorbereitung und Organisation der WM eingebunden. Ressortchef war damals Otto Schily (SPD). Das Innenressort hält sich zu dem Fall bislang aber bedeckt. „Wir sind dabei, die Unterlagen zu sichten“, sagte eine Ministeriumssprecherin auf dpa-Anfrage. „Wir bemühen uns um Aufklärung.“ De Maizière werde sich zu den Vorgängen erst „nach der vollständigen Prüfung des Sachverhalts“ äußern.

Der Sportausschuss des Bundestages hatte zunächst Aufklärung von Niersbach verlangt und ihn zur nächsten Sitzung des Gremiums am 4. November eingeladen. Niersbach sagte jedoch ab - mit der Begründung, dass zunächst die Ergebnisse der externen Prüfung abzuwarten seien. Der DFB hat die Wirtschaftskanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer mit einer Untersuchung der Vorgänge beauftragt.

Mutlu äußerte sich enttäuscht über Niersbachs Absage. „Es ist außerordentlich bedauerlich, dass Herr Niersbach und der DFB die Gelegenheit ausschlagen, in den Ausschuss zu kommen und ihre Sicht auf die Dinge darzustellen.“ Der Grünen-Politiker hofft aber, dass der DFB-Präsident seinen Auftritt im Sportausschuss nachholt.

Nach dem Willen der Grünen sollen auch der frühere OK-Chef Franz Beckenbauer, Theo Zwanziger als früherer DFB-Präsident und OK-Vizepräsident sowie der damalige Innenminister Schily dem Gremium Rede und Antwort stehen. „Wir können sie dazu nicht zwingen. Wir sind schließlich kein Untersuchungsausschuss“, sagte Mutlu. Die Einrichtung eines solchen Gremiums stehe auch nicht zur Debatte. Er hoffe aber, dass die Beteiligten einen Auftritt vor den Abgeordneten von sich aus als Chance begriffen. Die Grünen könnten Beckenbauer, Zwanziger und Schily nicht allein in den Ausschuss einladen, sagte Mutlu. Das gehe nur gemeinsam mit den anderen Fraktionen.

Es gibt Verbindungen zwischen dem Gremium und dem DFB. Der stellvertretende Vorsitzende des Sportausschusses, Reinhard Grindel (CDU), ist Schatzmeister beim DFB.

Die Sportausschussvorsitzende, Dagmar Freitag (SPD), rief die Beteiligten auf, alle Fakten auf den Tisch zu legen. „Spekulationen schaden nur - man wird sie nur durch die Wahrheit ersetzen können“, sagte sie der dpa. „Und da ist Herr Niersbach einer von mehreren Verantwortlichen.“

Freitag forderte angesichts der Geschehnisse einen generellen Wandel bei den internationalen Sportverbänden - „und zwar sowohl in den Strukturen als auch in den Denkmustern“, mahnte sie. „Auch wenn die Vorfälle über ein Jahrzehnt zurückliegen, habe ich Zweifel daran, dass die heutige Organisationskultur wirklich deutlich transparenter und ehrlicher ist.“

Der Linke-Politiker Hahn sieht bereits größere Schäden durch die Affäre. „Die Vorwürfe sind sehr gravierend. Sie kratzen nicht nur am Image des DFB, sondern auch am Bild des organisierten Sports.“ Er befürchte, dass die Affäre auch der Hamburger Olympia-Bewerbung schaden werde.

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