American Football Kommt die NFL Europe noch mal zurück?

Die europäische Liga der Footballer hat über 15 Spielzeiten als Ableger der amerikanischen Liga NFL existiert. Klubs wie Frankfurt Galaxy oder Rhein Fire Düsseldorf zogen Zehntausende Fans an. Vor zehn Jahren kam dann das Ende. Ist eine Neuauflage denkbar?

American Football: Kommt die NFL Europe noch mal zurück?
Foto: Goergens

Ingolstadt. Nicht jeder konnte die Zeichen der Zeit deuten. Beim Länderspiel der deutschen Fußball-Nationalmannschaft im März 1991 gegen die UdSSR im Frankfurter Waldstadion sollen sich einige TV-Zuschauer beim Sender erkundigt haben, was es mit den Markierungen auf dem Spielfeld auf sich habe. Die Antwort: American Football hatte den Weg nach Europa gefunden.

Um Märkte außerhalb den USA zu erschließen und die zweite Garde unter Wettkampfbedingungen zu testen, hatte die National Football League (NFL) 1991 die „World League of Football“ gegründet. Das erste deutsche Team in dieser Weltliga, an der zu Beginn auch amerikanische Mannschaften teilnahmen, war Frankfurt Galaxy — wegen der vielen im Rhein-Main-Gebiet stationierten US-Soldaten. Später kamen in der nun NFL Europe genannten Liga noch Rhein Fire aus Düsseldorf, Berlin Thunder, die Cologne Centurions und Hamburg Sea Devils dazu. Die übrigen europäischen Teams waren die Amsterdam Admirals, London Monarchs, Barcelona Dragons und Scottish Claymores. Der Sieger wurde im so genannten World Bowl ermittelt.

Der Klassenunterschied zwischen NFL und NFL Europe sei vergleichbar mit der 1. und 2. Bundesliga im Fußball gewesen, sagt TV-Moderator Jan Stecker, der in den 80er-Jahren zu den besten deutschen Footballspielern zählte. Hoffnungsvolle Talente sollten sich für die Mutterliga empfehlen. „Das war das Farmteam-Prinzip“, erklärt Eugen Haaf. „Die NFL-Klubs haben in Europa ihre zweite und dritte Garde unter Livebedingungen getestet“, sagt der Trainer der Ingolstadt Dukes, die in dieser Saison erstmals in der German Football League 1 antreten, der höchsten deutschen Spielklasse. „10 bis 20 Prozent“ der Profis, schätzt Stecker, hätten den Sprung geschafft — meist als Ergänzungsspieler.

Als spätere NFL-Superstars gelten zwei Männer: Adam Vinatieri, der 1995 das Trikot der Admirals trug, gewann mit den New England Patriots und den Indianapolis Colts vier Superbowls und gilt als einer der besten Kicker der Geschichte. Kurt Warner, 1998 Quarterback der Niederländer, holte den Super Bowl 1999 mit den St. Louis Rams.

Um den Sport in Europa populärer zu machen, setzten die Teams neben den US-Talenten auf so genannte „Nationals“, einheimische Spieler. Neben den Ex-Fußballern Manfred Burgsmüller, Axel Kruse oder Ingo Anderbrügge, die sich publikumswirksam als Kicker verdingten, war Werner Hippler der bekannteste. Mit mehr als 100 Einsätzen ist der 46-Jährige der NFL-Europe-Rekordspieler. Der Kölner hielt seine Knochen zudem für San Diego und Detroit in Übersee hin.

„Es war eine sehr gute Liga“, sagt Hippler, der nach der Karriere eine Sicherheitsfirma gründete. Die Spiele wurden nach US-Vorbild als Event inszeniert. Der 57-jährige Stecker war als Stadionsprecher von Rhein Fire tätig. „Die Fankultur war großartig“, erinnert er sich. Im Schnitt pilgerten in den 15 Spielzeiten ihres Bestehens rund 19 000 Zuschauer pro Spiel in die Stadien der NFL Europe. Düsseldorf und vor allem Frankfurt entwickelten sich zu Hochburgen. Haaf war häufig zu Gast im Waldstadion, das im Schnitt 30 000 Fans besuchten.

Doch alles Spektakel nutzte nichts: Am 29. Juni 2007 verkündete die NFL das Aus der kleinen Schwester in Europa. Als Grund wurde eine veränderte Strategie genannt, die vorsah, verstärkt Ligaspiele von NFL-Teams in Europa auszutragen. Daneben spielten auch die mangelnde TV-Präsenz und hohe finanzielle Verluste eine Rolle. „Pro Team wurden drei bis fünf Millionen Euro Verlust gemacht“, erinnert sich Hippler. Die Teams in Europa hätten sich am aufgeblähten und teuren Verwaltungsapparat der US-Klubs orientiert. Außerdem bestand die NFL Europe am Ende aus fünf deutschen Teams, einzig die Amsterdam Admirals rechtfertigten noch den Namen. „Die Liga hätte sich selbst tragen sollen“, erinnert sich Stecker. „Da sie das nicht tat, hat die NFL das Ganze geknickt.“

Aber: Die Football-Begeisterung in Deutschland hat jüngst wieder zugenommen: Der Rheinländer Sebastian Vollmer gewann an der Seite von Superstar Tom Brady 2015 und 2017 den Super Bowl mit den New England Patriots, TV-Liveübertragungen der NFL-Spiele erzielen starke Quoten. Bringt einen zu der Frage: Wäre zehn Jahre nach dem Aus eine Neuauflage der NFL Europe denkbar und erfolgreicher?

„Aus Fehlern lernt man. Eine Neuauflage wird in den USA aktuell diskutiert“, weiß Hippler. „Die NFL sieht jetzt, was sie vermisst. Vor allem Quarterbacks, aber auch alle anderen Positionen sind in der NFL Europe entwickelt worden. Wenn alle 32 Teams 500 000 Euro in die NFL Europe stecken — was für die kleines Geld ist —, haben sie einen Riesengewinn. Sie können ihre Spieler ausprobieren und das Risiko noch teurerer Fehlentscheidungen vermindern.“

Haaf sieht Football zwar wieder in einer Boomphase, doch schon zu Zeiten der NFL Europe sei das Interesse in Deutschland groß gewesen. Auch Stecker ist skeptisch: „Hier herrscht europaweit die größte Begeisterung, auch in England ist der Hype groß. Aber in Spanien und Frankreich eher nicht.“ Der Gedanke an eine Neuauflage allerdings sei reizvoll: „Ich würde sofort wieder den Stadionsprecher machen.“

Michael Wevelsiep, Vorstandsmitglied der Düsseldorf Panther — aktuell Zweitligist und sechsmaliger Gewinner des German Bowl — kann der Idee nicht viel abgewinnen: „Die NFL Europe hat den deutschen Vereinen nicht gut getan. Auch uns bei den Düsseldorf Panther nicht. Wenn die Amerikaner das neu beleben möchten, glaube ich, dass sie nach wenigen Jahren erneut die Lust verlieren würden.“ Durch Rhein Fire sei damals auch in Düsseldorf Geld in unseren Sport geflossen. „Auf der anderen Seite haben die Amerikaner aber auch viel Fachwissen aus den Vereinen gezogen, weil sie diese Leute dann für die NFL-Europe-Teams gewonnen haben. Ich bin nicht dafür, das Ganze in alter oder abgeänderter Form wieder aufleben zu lassen“, sagt Wevelsiep. Und: „Ich halte den chinesischen Markt mittlerweile für die Amerikaner für interessanter als den europäischen Raum.“

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