Kick nach Sturz: Oesers Siebenkampf-„Sternstunde“

Berlin (dpa) - Die unfreiwillige Bauchlandung hat den WM-Silbergewinn von Jennifer Oeser im Siebenkampf zu einer Sternstunde des deutschen Sports gemacht.

„Der Moment, als ich gestürzt war, hat einen unglaublichen Adrenalin-Kick gegeben. Da wollte ich alle Konkurrentinnen noch einfangen“, sagte die 25-jährige Leverkusenerin nach der furiosen Aufholjagd im finalen 800-Meter-Lauf bei den Leichtathletik-Weltmeisterschaften in Berlin. „Ich habe zwar auf Bronze geschielt, aber an Silber habe ich nie im Leben gedacht.“

Auch einen Tag nachdem sie bei 350 Metern zu Fall gekommen war, hatte die flotte Polizeimeisterin keine Erklärung dafür. „Ich bin nicht ins Straucheln gekommen, sondern sofort gestürzt“, rätselte Jennifer Oeser. „Dies möchte ich nicht noch einmal erleben.“ Lob erhielt sie für diese Energieleistung von Sabine Braun, die 1997 Weltmeisterin wurde und die bis dahin letzte deutsche WM-Medaille im Siebenkampf geholt hatte: „Diesen Kick braucht sie sicherlich nie wieder. Sie ist eine Super-Kämpferin und steht durch diesen Sturz und Lauf noch mehr im Mittelpunkt.“

Mit 6493 Punkten stellte Oeser eine persönliche Bestleistung auf, verpasste es aber, durch das Malheur die 6500-Punkte-Marke zu überbieten. „Da kam die Turn-Einlage dazwischen, sonst hätte ich die Barriere genommen“, meinte die WM-Siebte von 2007. Einen Höhenflug auf 7000 Zähler ist für sie kein realistisches Ziel. „Daran kann und will ich nicht denken“, sagte Oeser, die sich rituell am Vorabend des zweiten Siebenkampf-Tages ein Radler („Mehr Sprite, weniger Bier“) gönnt. Potenzial hat die in Brunsbüttel geborene Blondine noch im Speerwurf, gilt ansonsten aber als ausgeglichene Athletin. „Ich habe keine richtigen Stärken und keine richtigen Schwächen“, bekannte sie.

Die neue Weltmeisterin Jessica Ennis erhielt 6731 Punkte - und die Anerkennung der deutschen Rivalin. „Sie ist eine würdige Siebenkampf- Queen“, zollte Oeser der vitalen Britin Respekt. Richtig beeindruckt war Julia Mächtig von der neuen Vizeweltmeisterin. „Ich war sehr schockiert und konnte mich nicht mehr auf meinen Lauf konzentrieren“, sagte die 23-jährige Neubrandenburgerin nach ihrem aufregenden WM- Debüt und dem Sturz der Teamkollegin. „Ich bin ihr auch noch in die Waden getreten, als sie am Boden lag“, berichtete die Sportsoldatin und fügte erleichtert hinzu: „Ich habe es ihr so gegönnt, dass sie noch nach vorne läuft.“

Einen Dämpfer erhielt ihre gute WM-Premiere, bei der sie mit 6265 Punkte Neunte wurde, nur durch den verpatzten Speerwurf. „Da habe ich alles falsch gemacht, was man falsch machen kann. Ich habe viel gelernt“, meinte Julia Mächtig. „Ich wäre gerne Achte geworden, dann wäre ich in den A-Kader aufgestiegen.“ Statt nach der WM in den Urlaub zu fahren, wird sie sich einer Operation am rechten Fersenbein unterziehen müssen. Beeinträchtigt hat Julia Mächtig dieses Handicap bei der WM nicht: „Es hat nicht wehgetan, ich hatte genug Adrenalin im Körper.“

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort