Interview: „Uns fehlen die Führungsspieler“

Der ehemalige Welthandballer Daniel Stephan ist bei der anstehenden Handball-WM unser Kolumnist.

Herr Stephan, Bundestrainer Heiner Brand hat am Dienstag den routinierten Torsten Jansen aus seinem Kader gestrichen. Können Sie das nachvollziehen?

Daniel Stephan: Mich hat es überrascht, weil man bei Jansen weiß, woran man ist. Er hat bei großen Turnieren immer seine Leistung gebracht, kann auch auf der Halbposition decken. Aber Bundestrainer Heiner Brand wird sich seinen Teil gedacht haben.

Deutschland hat die beste Liga der Welt, ist aber bei der WM Außenseiter, weil viele Positionen in der Liga mit Ausländern besetzt sind. Was läuft falsch?

Stephan: Heiner Brand weist fortwährend darauf hin — und er hat Recht. Ich würde mich auch freuen, wenn wir deutsche Topleute in der Bundesliga auf Führungspositionen hätten. Wenn es eine Begrenzung für ausländische Spieler gäbe. Oder aber eine deutsche Quote. Aber ich weiß, dass es illusorisch ist. Da muss nur einer klagen, und wir können die Sache vergessen. Deshalb müssen wir uns der Verantwortung jetzt auch stellen.

Brands Nerven sind bei diesem Thema nicht aus Drahtseilen.

Stephan: Er hat auch noch andere Probleme. Zum Beispiel jetzt die kürzeste WM-Vorbereitung aller Zeiten. Da passt nicht viel zusammen.

Ist der nächste Streit also vorprogrammiert?

Stephan: Brand hat diese Probleme auch angeprangert, als die Deutschen erfolgreich waren. Es geht ihm also um die Sache — und nicht um persönliche Rechtfertigung.

Was fehlt der deutschen Mannschaft?

Stephan: Wir haben keine Führungsspieler mehr. Die fehlen. Pascal Hens ist einer mit viel Erfahrung, aber er muss sich nach seiner Verletzung um sich kümmern. Auch Holger Glandorf ist eher leise. Die meisten Spiele werden letztlich im Rückraum entschieden. Und da kommen mit Glandorf, Kaufmann und Hens drei Deutsche nach langen Verletzungspausen zurück. Im Tor haben wir echte Typen, drei exzellente Torhüter. Ich wünschte mir, einer davon wäre Feldspieler.

Noch dazu ist die deutsche Gruppe mit Spanien und Frankreich extrem schwierig.

Stephan: Favorit ist deutlich Frankreich, dahinter Kroatien, Polen, Dänemark. Viele wollen ins Halbfinale, auch Schweden und Norwegen. Wenn bei unserer Mannschaft wirklich alles funktioniert, dann ist das Halbfinale drin. Aber die Chancen, das nicht zu erreichen, sind weitaus größer. Das Team ist zu unkonstant. Ein Remis gegen Österreich, dann richtig gute Spiele gegen Polen und Schweden — und zuletzt zwei Niederlagen gegen Island.

Welcher deutsche Spieler wird positiv überraschen?

Stephan: Uwe Gensheimer wird international seinen großen Durchbruch feiern.

Welcher Handball wird in Schweden dominieren?

Stephan: Ich hoffe nicht nur Krafthandball, die Athletik ist deutlich in den Vordergrund getreten. Aber man kann Kraft auch mit spielerischen Mitteln bekämpfen. Da hoffe ich auf die Dänen oder die Kroaten mit Ivano Balic.

Wo stehen in diesem Spannungsfeld die Deutschen?

Stephan: Die spielerische Seite kommt bei uns schon ein bisschen kurz. Mittelmann Mimi Kraus ist eben auch kein richtiger Spielmacher, sondern selbst ein athletischer „Shooter“. In diesem Bereich gehört er zur Weltspitze.

Was bewirkt der „Faktor“ Heiner Brand?

Stephan: Er ist der Richtige. Er weiß, die richtigen Worte zu wählen, er flippt nicht aus, und wenn doch, dann setzt er es gut ein. Heiner lebt auch mal Gelassenheit vor. Und ist taktisch vorn. Er holt das Maximum raus.

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