Interview: „Spielerfrauen leben einsam“

Alison Kervin weiß, dass es nicht immer ein Vergnügen ist, einen Fußballstar zu lieben.

London. Stillos, oberflächlich und geldgierig - dieses Image haftet englischen Spielerfrauen an. Doch ist ihr schlechter Ruf gerechtfertigt? Sportreporterin Alison Kervin weiß, wie es hinter der grell geschminkten Fassade in der Champions League der Fußballergattinnen wirklich aussieht - und nimmt sie in Schutz.

Nächste Woche beginnt die Fußball-WM in Südafrika und bei englischen Spielerfrauen herrscht Frust statt Freude. Warum?

Kervin: Weil ihnen klargemacht wurde, dass sie besser Zuhause bleiben, um nicht von den Spielen abzulenken. Für die Frauen ist das ein Schlag ins Gesicht, denn den Rest des Jahres müssen sie ihr Leben ganz in den Dienst ihres Rasenstars stellen. Was wir hier sehen ist ein trauriges soziales Phänomen: Für Spielerfrauen wird die Emanzipation zurückgedreht - sie müssen dem Mann den Rücken freihalten und werden fortgeschickt, wenn sie stören könnten.

Das Mitleid scheint sich allerdings in Grenzen zu halten...

Kervin: Die Wahrheit ist, dass viele Spielerfrauen sehr einsam und isoliert leben. Die Männer haben die Mannschaft, den Sport - das ist wie eine Familie. Doch die Frauen verbringen die meiste Zeit allein in ihren großen, makellosen Landhäusern. Wurzeln schlagen können sie kaum: Sie sind Accessoires, die bei jedem Vereinswechsel mit umgezogen werden. Ständig folgen ihnen Paparazzi, wird ihr Äußeres in der Presse seziert. Dabei takeln sie sich oft nur auf, um ihrem Mann zu signalisieren, was für ein toller Fang sie sind - und er nicht fremdgeht.

Viele Mädchen wollen so sein wie die "Wives and Girlfriends" (WAGs). Woher kommt diese Faszination?

Kervin: Der Kult der WAGs hat erst 1992 begonnen, als plötzlich absurde Summen Geld in den Fußballsport geflossen sind. Seitdem ist das Land übersät mit vielen kleinen Mini-Hollywoods - die Heimatstädte der Top-Vereine. Da zieht Glamour in die Provinz, boomen die Nachtclubs, schmieren Mädchen Türsteher, damit sie zu den Spielern gelassen werden.

Warum würden Frauen ihren Ruf derart gefährden?

Kervin: Viele heiraten jung und überblicken nicht die Konsequenzen. Aus ihnen wird buchstäblich über Nacht eine Cinderella: Heute stehen sie auf dem Schulhof, morgen zieren sie die Titelseite der Vogue. Es ist fast wie ein Märchen. Sie ahnen nicht, dass sie den Rest ihres Lebens im Schatten verbringen werden.

2006 in Baden-Baden sind die WAGs für ihre teuren Shoppingtouren und Champagnerpartys in die Schlagzeilen geraten. Liegt es da nicht nahe, dass die Spielerfrauen dieses Jahr von der WM 2010 verbannt werden?

Kervin: Wenn die englische Mannschaft 2006 erfolgreicher gespielt hätte, hätten sich die Medien doch gar nicht so auf die Ehefrauen konzentriert. Den WAGs ist ja sogar angelastet worden, dass das Team wegen ihrer Eskapaden verloren hätte. Mit Verlaub: Das ist Unsinn. Und kann man es den Frauen verübeln, dass sie sich in dem begrenzten Rahmen, den sie haben, auch mal vergnügen?

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