Horst Szymaniak: Einmal Weltstar, immer Kumpel

Horst Szymaniak feiert heute seinen 75. Geburtstag in einem Pflegeheim nahe Osnabrück.

Melle. Noch immer kommt Autogrammpost, 43 Jahre nach seinem letzten Länderspiel. Alte Fotos, kostbare Sammelbilder soll er unterschreiben. Doch Horst Szymaniak kann nicht, der Kugelschreiber gehorcht seiner Hand nicht mehr. Der Mann, der in den 50er und 60er Jahren einer der wenigen deutschen Fußballer mit dem Prädikat "Weltklasse" war, ist alt und krank.

Frühere Mitspieler wie Uwe Seeler oder Franz Beckenbauer haben ihre runden Geburtstage mit großen Empfängen gefeiert. Um ihren Kumpel "Schimmi" ist es still geworden, und es wird auch heute ruhig bleiben im Pflegeheim in Wellingholzhausen, einem Ortsteil der Kleinstadt Melle bei Osnabrück. Dort lebt Horst Szymaniak, dort wird er heute 75 Jahre alt. Er ist krank, er spürt die Jahre in den Knochen, seine Rente ist karg. Er ist dauerhaft auf die Pflege und Hilfe anderer angewiesen. Und doch: Wer ihn besucht und sich Zeit nimmt, spürt keine Bitterkeit, keinen Groll. "Ich habe tolle Jahre gehabt, nach dem Fußball wollte ich einfach nur ein ruhiges Leben führen", hat er kurz vor seinem 65. Geburtstag erzählt. Viele Erinnerungsstücke hat er nicht mehr. Und das Geld, das er verdient hat, ist auch weg.

Es war einer der märchenhaften Sportlerkarrieren, die Deutschland damals so faszinierten. Szymaniak war einer der jungen Männer, die den Staub des Bergbaus abschüttelten, weil sie so gut mit dem Fußball umgehen konnten. Aus dem Bergmann Szymaniak , der bei der SpVgg Erkenschwick spielte, wurde beim Wuppertaler SV und beim Karlsruher SC der populäre Nationalspieler, den alle nur "Schimmi" nannten. Mehr als 320 DM durfte ein deutscher Oberligafußballer damals nicht verdienen; unter dem Tisch wurde mehr gezahlt.

Besonders gern erzählte Szymaniak vom Besuch zweier Funktionäre des KSC in seinem Urlaub auf Mallorca: "Die kamen da in ihren Anzügen an den Strand, gaben mir einen Koffer und gingen. Und ich stand da - in Badehose und mit einem Koffer mit 30000 DM." 1961 breiteten die Unterhändler des sizilianischen Klubs CC Catania 100 000 DM in bar auf dem Tisch der Bergmannsfamilie Szymaniak aus - und das war erst die Hälfte des Handgeldes, das sie dem besten deutschen Fußballer seit Fritz Walter für einen Wechsel boten. Szymaniak nahm an, später holte ihn sogar der Helenio Herrera ins Starensemble von Inter Mailand. Ruhm und Reichtum bedeuteten ihm nie viel, noch weniger mochte er große Auftritte. "Wir sind doch weggelaufen, wenn Journalisten ankamen", hat er mal erzählt, "heute reden die wie Politiker."

Das Geld war dem lebensfrohen, großzügigen und gutmütigem Szymaniak durch die Finger geronnen, kaum dass er seine Karriere 1968 beendet hatte. Als Wirt und Lastwagenfahrer, als Kranführer und Auslieferer verdingte er sich.

Hunderte von Briefen aus den letzten Jahren künden davon, dass "Schimmi" nicht vergessen ist. Gelegentlich findet Manfred Hauser, der sich um Szymaniak kümmert, in den Umschlägen einen Geldschein mit dem Vermerk: "Kaufen Sie dem Schorsch was Schönes." Auch der DFB kümmert sich um ihn: Schnell und unbürokratisch wird geholfen; vor drei Jahren konnte sich der Hundeliebhaber so einen Schäferhund leisten und zur WM 2006 einen neuen Fernseher. In Wuppertal wurde er - neben Torjäger Günter Pröpper - zum populärsten Fußballer der Klubgeschichte gewählt. Und erst recht in seiner Heimat Erkenschwick haben sie ihn nie vergessen, diesen stolzen, einfachen Mann, der als Bergmann begann, zum Sportstar wurde, aber immer blieb, worauf es auch über Tage ankommt: Ein echter Kumpel.

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