Tunesiens Handballer in zwei Welten

Kristianstad (dpa) - Körperlich in Schweden, gedanklich in der Heimat: Tunesiens Handballer leben bei der WM unfreiwillig in zwei Welten.

Die Unruhen zu Hause, der politische Umsturz, die vielen Opfer - Heykel Megannem und seine Mitspieler versuchen, dies auszublenden und sich in Kristianstad allein auf ihren Sport zu konzentrieren. „Das ist nicht leicht“, gibt der Spielmacher zu, „aber es ist eine Mentalität von Spielern, das Geschehen zu Hause in eine Quelle für die eigene Leistung umzuwandeln.“

Das will der Afrika-Meister und Vierte seiner Heim-WM 2005 auch noch einmal an diesem Donnerstag (18.30 Uhr) gegen die deutsche Mannschaft schaffen. „Das ist unser Finale der WM“, urteilt Megannem, für den die neunte WM auch seine letzte sein wird. Die Hauptrunde wird Tunesien seiner Meinung nach verpassen. Die anschließende Trostrunde Presidents Cup hält er für sinnlos. „Das ist das schlechteste an einer WM. Ich weiß nicht, was das soll. Ich will lieber zurück zu meiner Familie.“

Heykel Megannem sitzt am Fenster in der viel zu kleinen Lobby des Spielerhotels. Er ist ruhig, unaufgeregt, spricht leise und lacht oft. Nur seine Beine kann er nicht stillhalten. Er bewegt sie, als würde er gleich losrennen. Doch noch will er nicht weg. Während in seiner Heimat für Demokratie gekämpft wird, spielt er mit der Nationalmannschaft um sportliche Ehren. „Die Leute lieben Sport und verfolgen unsere Spiele“, berichtet er.

Nur das erste, die 19:32-Niederlage gegen Titelverteidiger Frankreich, haben seine Landsleute, so Megannem, allenfalls am Rande registriert - wenn überhaupt. Es war der Tag, an dem sich die Ereignisse in Tunis überschlugen und Präsident Ben Ali zurücktrat. Das übertrug sich bis in die Handball-Halle im schwedischen Kristianstad, wo tunesische Anhänger ein Transparent mit der Aufschrift „Game over Ben Ali“ an der Balustrade aufgehängt hatten.

Und auch im Hotel sind die Geschehnisse in der Heimat allgegenwärtig. Nicht nur mangels Alternativen für die Freizeitgestaltung verbringen die Spieler viel Zeit vor dem Fernseher oder im Internet. „Wir verfolgen alles auf Facebook und Youtube. Das ist unsere zweite Beschäftigung“, erzählt Megannem.

Und seine Augen leuchten, wenn er über die Gegenwart und die Zukunft Tunesiens spricht. „Das ist eine gute Situation. In sechs Monaten haben wir Wahlen. Wir werden jetzt auch die Freiheit zu reden und zu denken haben. Wir bekommen Demokratie. Nach der Wahl wird es wie in einem europäischen Land sein“, vermutet er.

Gern hätten der 33-Jährige, der seit zehn Jahren als Handball- Profi in Frankreich sein Geld verdient, und seine Mitspieler ihren Landsleuten auch einen prestigeträchtigen Sieg gegen den Erzrivalen Ägypten geboten. Der Afrikameister aber verlor in der Neuauflage des Endspiels mit 23:27. „Wir haben ein sportliches Problem. Wir haben verloren. Das ist schlecht“, konstatiert er.

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## Orte - [Quality Hotel Grand](V. Storgatan 15, 291 21 Kristianstad)

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