Handball-WM/ Kraus: Ich bin noch nicht im Turnier

Ein Rückfall des Spielmachers in vergessen geglaubten Schlendrian erzürnt Trainer Brand.

Kristianstad. Kurz nach der Pause platzte es aus Heiner Brand heraus. „Verdammt noch mal, mach das, was wir besprochen haben“, brüllte der Bundestrainer Michael Kraus an. Der hatte nur wenige Minuten zuvor in der Halbzeitpause des WM-Spiel gegen Spanien klare Anweisungen erhalten.

Kraus sollte als Regisseur den Ball laufen lassen und sich gemeinsam mit den Kollegen Chancen erarbeiten. Doch Kraus hatte anderes im Sinn. Zwei frühe Pässe an den Kreis, die zu Ballverlusten führten, brachten Brand in Rage und Kraus auf die Auswechselbank.

Diese Szene darf stellvertretend für das bisweilen kopflose Angriffsverhalten und verkrampfte Offensivspiel der deutschen Mannschaft gegen Spanien gelten. Mit ein bisschen mehr Führung und Geduld hätte das Team den 21:18-Vorsprung über die Zeit gerettet. So stolperte es in eine 24:26-Niederlage.

Die Schlappe ist zu großen Teilen Michael Kraus anzukreiden, obwohl er während der Schlussphase kaum auf dem Platz stand. Wie „Kraus und Rüben“ hätten die Deutschen gespielt, titelte „Spiegel online“. Co-Trainer Martin Heuberger hatte „17 technische Fehler und noch mehr blöde Würfe“ notiert.

Die produzierten zwar in der Mehrheit wieder andere, doch von Kraus, dem besten Individualisten im Team, wird erwartet, dass er seine Nebenleute anleitet und inspiriert. In dessen persönlicher Bilanz des Spanien-Spiels stehen gegenüber den drei Fehlwürfen und zwei Ballverlusten lediglich zwei verwandelte Strafwürfe auf der Habenseite.

Viel zu wenig. Wenn schon der Häuptling wie Falschgeld herumläuft, was sollen erst die Indianer tun? Deshalb erhalten Christophersen, Haaß und Pfahl, die in der Schluss-Sequenz den Rückraum stellten, mildernde Umstände.

„Wir haben bitteres Lehrgeld gezahlt“, sagte Michael Haaß: „Uns fehlt noch die internationale Erfahrung. Auf einmal waren wir der Favorit, und schon war unser Selbstvertrauen weg.“ Michael Kraus sieht seine Leistungen ebenfalls selbstkritisch: „Ich bin noch nicht im Turnier. Ich habe keine Erklärung für meine Spielweise.“

Die seltsamen Auftritte gegen Bahrain und Spanien stehen im krassen Gegensatz zu den zwei Testspielen kurz vor der WM auf Island. Dort war Kraus Leader und Goalgetter in einem. Seine Spielweise und seine 13 Treffer begeisterten nicht nur Heiner Brand („Mimi hat gezeigt, über welche Dynamik er verfügt“), sondern auch die Öffentlichkeit. Der „Focus“ schrieb von dem „Geläuterten“ und die „Süddeutsche“ vom „Strahlemann, der wieder fit ist“.

Kraus aber kann die in ihn gesteckten Erwartungen in Schweden nicht erfüllen. Bleibt die „Hoffnung auf das nächste Spiel“, wie es Kraus formuliert. Mit Welt- und Europameister sowie Olympiasieger Frankreich wartet am Mittwoch (18.15 Uhr/ ARD) die größte Hürde. Vielleicht hilft die Historie dem schwächelnden Kraus auf die Beine. Bei der Weltmeisterschaft 2007 in Deutschland feierte er eben gegen Frankreich in der Zwischenrunde seinen Durchbruch auf dem internationalen Parkett.

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