Handball-WM: Brands Wut – die Vorgeschichte

Der Bundestrainer sieht sein Team seit dem WM-Titel benachteiligt. Der Ruf der Schiedsrichter leidet extrem.

Zadar. Am Tag danach konnte Heiner Brand schon wieder lächeln. Ein verlegenes Lächeln. "Als ich die Bilder gesehen habe, war ich schon etwas erschrocken", berichtete der 56-jährige Trainer der deutschen Handball-Nationalmannschaft von einer Videosichtung der seltenen Art.

Der Gummersbacher hatte sich in diesen Sekunden nach der Schlusssirene des Hauptrundenspiels gegen Norwegen (24:25) selbst nicht wiedererkannt.

Wutentbrannt war er auf die slowenischen Schiedsrichter Nenad Krstic und Peter Ljubic zugelaufen, mit erhobener rechter Faust. So als habe er vor, die erste Niederlage seines Teams umgehend zu rächen. "Ich verabscheue Gewalt", versicherte Brand am Montag im Hotel Kolovare in Zadar. "Und außerdem ist in meinem Alter keine Kraft mehr in meiner rechten Geraden", fügte er ironisch hinzu.

Am Dienstag kämpft der Weltmeister gegen Europameister Dänemark (17.30 Uhr, live bei RTL) um seine letzte Halbfinalchance.

Auch die Handballer nahmen diesen Auftritt, den annähernd zehn Millionen Zuschauer an den deutschen TV-Geräten verfolgten, irritiert zur Kenntnis - zumal Brand erst vor drei Monaten eine Hüft-Operation über sich ergehen lassen musste. "So habe ich Heiner noch nie gesehen", sagte Torwart Johannes Bitter.

Der Trainer habe damit aber den Seelenzustand der Mannschaft gespiegelt. Brand muss aber keine Konsequenzen befürchten. "Ich habe nichts vermerkt", sagte Christer Ahl, Vorsitzender der Schiedsrichterkommission.

Bemerkenswert: Brand distanzierte sich zwar von seinem Ausraster, nicht aber in der Sache. Im Prinzip erneuerte er seine Kritik, dass die deutsche Mannschaft von den Schiedsrichtern benachteiligt werde. "Wenn sie ein Gewissen haben, dann ein schlechtes", sagte Brand über die Leistung der Slowenen. Tatsache sei, "dass seit der WM in Deutschland eine gewisse Tendenz zu bemerken ist".

Solche Aussagen nähren Verschwörungstheorien. Das Image der Internationalen Handball-Föderation (IHF) in dieser Hinsicht war allerdings schon vor dieser WM verheerend. Was soll man halten von einem Verband, dessen ägyptischer Präsident Hassan Moustafa erst kürzlich zugeben musste, dass er persönlich Schiedsrichter eines Spiels absetzte?

Geschehen bei der asiatischen Olympiaqualifikation im September 2007 zwischen Kuwait und Südkorea (28:20). Und kurz vor der WM hatte noch IHF-Generalsekretär Peter Mühlematter kritisiert, Moustafa und der spanische IHF-Schatzmeister Miguel Roca hätten sich persönlich in die Schiedsrichteransetzungen bei Olympia eingemischt.

Die kritisierten Krstic und Ljubic standen ebenfalls bereits unter Korruptionsverdacht - beim Champions League-Halbfinalrückspiel 2007 zwischen Valladolid und der SG Flensburg. Als damals der Flensburger Torwart Dan Beutler den letzten unberechtigten Siebenmeter hielt und so Flensburg ins Finale brachte, stürmten die Flensburger nicht auf den Helden zu, sondern sie bedrohten die beiden Slowenen - weil sie Betrug witterten.

Auch dem polnischen Duo Baum/Goralczyk hatte Frank Birkefeld, der damalige Geschäftsführer der IHF, 2007 öffentlich vorgeworfen, sie hätten das Finale des olympischen Frauenturniers zugunsten der Däninnen verschoben.

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